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Universität

Schwerpunkt - VetSim: Das Silikontier als Patient

Aus VETMED 02/2019 – Übung macht den Meister: Im Skills Lab VetSim trainieren Studierende der Vetmeduni Vienna an einer Vielzahl von Übungsstationen und Trainingstieren aus Kunststoff. Dies unterstützt die wichtige Basis der sogenannten „Day-One-Competencies“ (Ersttagskompetenzen) für die praktische Arbeit in der Veterinärmedizin. Vom Verbandswechsel über Wundennähen, von der Beatmung und Blutentnahme bis hin zu künstlicher Befruchtung üben Studierende so unter Anleitung und im Selbststudium klinische Fertigkeiten.

Im Skills Lab VetSim trainieren Studierende an Tiermodellen verschiedener Spezies aus Kunststoff und erweitern so ihre praktischen Fertigkeiten. Foto © Stephanie Scholz/Vetmeduni Vienna

Vorsichtig platziert die Studentin die Nadel auf dem weichen Fell des Hundebeins. Ein Studienkollege fixiert den Vorderlauf mit den Händen. Ein kleiner Pieks, dann sitzt die Kanüle und eine hellrote Flüssigkeit sammelt sich im Plastikröhrchen. Der Tierpatient lässt die Prozedur geduldig immer wieder über sich ergehen, denn er ist einer von etwa 30 Übungs-Dummys, die an der Vetmeduni Vienna für den Probelauf für die Praxis eingesetzt werden.

Trockentraining am Stoffhund

Im Skills Lab VetSim, einer wirklichkeitsnahen tiermedizinischen Übungspraxis, trainieren angehende TierärztInnen beliebig oft Tätigkeiten, die sie routiniert von Anfang an im klinischen Alltag beherrschen müssen. Unter Skills Lab wird dabei ein Übungslabor für das Erlernen von veterinärmedizinischen Fertigkeiten verstanden. „Die Studierenden können an über 100 Stationen wichtige Handgriffe für die tierärztliche Tätigkeit üben, ohne zeitlichen Druck und ohne dem Tier Leid zuzufügen“, sagt Klaus Riedelberger, wissenschaftlicher Leiter des VetSim. Übungen lassen sich dabei ohne Probleme wiederholen, da sie an Dummys und Tierphantomen aus Kunststoff durchgeführt werden. Das mindert nicht nur den Stress der angehenden TierärztInnen, sondern auch jenen für lebende Tiere. „Es bringt unseren Studierenden Sicherheit und Selbstvertrauen und ist ein aktiver Beitrag zum Tierschutz“, so Riedelberger: „Das wird auch von den Studierenden so wahrgenommen.“

Routine und Selbstvertrauen

Eine offene Lernatmosphäre und tägliche Öffnungszeiten ermöglichen den Studierenden freien Zugang zu den Übungsstationen. Diese wiederum nutzen die Zeit zum Üben insbesondere vor großen Prüfungen wie der „OSPE“ (Objective Structured Practical Examination; erste praktische Diplomprüfung) oder der „KLIPP-VET“ (Klinische Prüfung Professioneller Veterinärmedizinischer Tätigkeiten). Der richtige Umgang mit den Dummys wird von Lehrenden und StudienassistentInnen gezeigt, denn eine Vorbereitung auf die einzelnen Stationen ist wichtig, erklärt Riedelberger. Anleitungen führen die Studierenden schließlich Schritt für Schritt durch die Stationen. Lernfortschritt und die Vorgehensweise werden anhand von Fotos überprüft. „Durch das mannigfaltige Üben kann unseren Studierenden die Sicherheit vermittelt werden, dieses Handling in der Klinik umzusetzen“, sagt Sibylle Kneissl, Vizerektorin für Lehre.

Moderne Veterinärmedizin

Um ein Skills Lab erfolgreich betreiben zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, fügt Vizerektorin Kneissl hinzu: „Idealerweise liegen drei wesentliche Kriterien gleichzeitig vor: eine spezifisch gewidmete Lernzone für selbstreguliertes Lernen mit Hilfe von realistischen Modellen, ein wohlwollend unterstützendes Team aus Lehrenden und Studierenden für die Supervision bzw. das Peer-Teaching in der Gruppe und eine kontinuierliche Finanzierung.“ Neue Übungsstationen im VetSim werden mittelfristig anhand von festgelegten Lernzielen entwickelt und anschließend als fester Bestandteil im Curriculum des Diplomstudiums Veterinärmedizin verankert. LeiterInnen von Lehrveranstaltungen sind daher dazu aufgefordert, zentrale klinisch-praktische Fertigkeiten zu identifizieren, dazu passende VetSim-Stationen zu entwickeln und diese in der Lehre und in Prüfungen aufzugreifen. Sprichwörtlich Raum finden diese ebenfalls im VetSim, denn fallweise werden Stationen der OSPE und der KLIPP-VET dort abgehalten. „Auch viele andere Lehrveranstaltungen sowie einzelne Wahlfächer finden teilweise im Skills Lab statt“, so Kneissl.

Vorteile für Mensch und Tier

Doch wie echt fühlt sich so ein Simulator-Tier tatsächlich an? „Die Dummys sind natürlich keine lebenden Tiere und reagieren daher auch nicht auf Manipulationen“, räumt Riedelberger ein. „Solche Simulationen können dadurch zwar nicht die Realität ersetzen, aber als eine sehr gute Vorbereitung dafür dienen.“ Wichtig sei vor allem das Zusammenspiel von Theorie, Übung und Praxis: „Ein Skills Lab wie das VetSim kann eine sehr gute Ergänzung und Vorbereitung auf die herausfordernde tierärztliche Tätigkeit sein. Wichtig ist es, in der Lehre die richtige Gestaltung und aufbauende Kombination von Üben unter Anleitung, Selbststudium und praktischer Anwendung zu finden.“ Trainingszentren mit Tiermodellen für Lehr- und Prüfungszwecke unterstützen die seit 1959 definierten 3R-Prinzipien „replace, reduce, refine“. „Dabei geht es um das ‚Vermeiden, Vermindern, Verbessern‘ vom Einsatz von Tieren in der forschungsgeleiteten Lehre“, so Vizerektorin Kneissl.

Kunststofftiere für klinisch-praktische Handgriffe

Die Gründe für ein Skills Lab sind vielfältig, ebenso die Materialien, aus denen die Dummys gefertigt sind. Können bei manchen „Tieren“ Extremitäten abgenommen oder aufgeklappt werden, machen andere die Atmung der Lunge hörbar oder den Puls spürbar. Einige ahmen sogar haptisch und optisch nur eine Extremität oder einen Bereich eines Tierkörpers wirklichkeitsnah nach. Hergestellt werden die Modelle aus Plastik oder Silikon, viele werden aus Übersee von der Vetmeduni Vienna angekauft. Ein paar besondere Modelle wurden sogar in Wien erfunden oder von Lehrenden, Forschenden und Studierenden weiterentwickelt. Ein Schlüsselfaktor der Dummys ist die Wiederverwendbarkeit und das Wiederholen einzelner Handgriffe wie etwa das Wundennähen, Kastration oder die Entnahme von Kunstblut. Dafür sind „Ersatzteile“ notwendig, die am Modell ausgetauscht oder nachgefüllt werden können, damit die Station für die nächsten Studierenden bereitsteht. Und diese Routine hat Erfolg: „Wiederholtes Üben am Dummy vor dem Umgang mit Patienten erlaubt das Automatisieren einer klinisch-praktischen Fertigkeit. Diese gelten als Ersttagskompetenzen, sogenannte Day-One-Competencies, die StudienabgängerInnen als Fähigkeiten für den Einstieg in den tierärztlichen Beruf mitbringen“, erklärt Vizerektorin Kneissl. Wie sehr sich der Einsatz lohnt, belegen sogar klinische Studien, denn Studierende mit vorheriger Übung an Dummy-Tieren sind in der Praxis sicherer.

>> Alle Artikel zum Skills Lab VetSim zur Nachlese im VETMED Magazin 02/2019