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Universität

Im Gespräch: Gewalt an Tieren und Dokumentation von Verstößen gegen Tierschutzbestimmungen

Nicht immer haben Menschen gegenüber Tieren das Beste im Sinn. Am Institut für Pathologie nimmt Martin Reifinger die Aufgabe wahr, Verstöße gegen entsprechende gesetzliche Bestimmungen aufzuklären und zu dokumentieren. Falls der Verdacht besteht, dass ein Tier vernachlässigt, misshandelt oder tierschutzwidrig getötet wurde, übernimmt der Veterinärpathologe als Tierforensiker den Fall und klärt anhand von Beweismaterial (Tierkörper, Körperteile, Fotos, Zeugenaussagen) tierschutzrelevante Verdachtsfälle auf.

Tierforensik: Martin Reifinger erstellt anhand von Beweismaterial Gutachten bei tierschutzrelevanten Verdachtsfällen. Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

 

VETMED: Was ist Ihre Aufgabe in Belangen, die Verstöße gegen den Tierschutz bzw. rechtliche Bestimmungen behandeln?

Martin Reifinger: Als gerichtlich beeideter Sachverständiger übernehme ich Gutachten mit tierschutzrelevanten Fragestellungen, die im Auftrag von Behörden an das Institut oder an mich persönlich herangetragen werden. Ich veranlasse auch Anzeigen an die zuständigen Behörden wie Bezirkshauptmannschaften oder die Staatsanwaltschaft, wenn bei uns im Rahmen einer Untersuchung der Verdacht entsteht, dass Tierquälerei im Spiel ist.

Wie sind die Abläufe bei Rechtsentscheidungen oder in Verwaltungsstraf- und Gerichtsverfahren?

Reifinger: In der Regel erfahren GutachterInnen nicht, wie sich die Gutachten auf den Prozess auswirken, wobei davon auszugehen ist, dass diese die sachliche Grundlage für Urteile sind. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass es nur in einem kleinen Prozentsatz von Tierschutzverfahren tatsächlich zu Verurteilungen kommt. Ist dies der Fall, werden Strafen meist nur auf Bewährung ausgesprochen oder sie bewegen sich leider im unteren Bereich des Strafrahmens. In einem der wenigen Fälle, bei denen ich Feedback von einer Amtstierärztin bekam, wurden die HalterInnen einer Jungkatze ohne nähere Untersuchung freigesprochen. Die Katze war an schweren inneren Verletzungen verstorben und es gab Hinweise auf ältere Rippenfrakturen. Laut HalterInnen war sie „vom Vorhang gefallen“ und ich hatte Anzeige erstattet, weil Verletzungen und Vorbericht in diesem Fall nicht in Einklang zu bringen waren.

Ist Gewalt an Tieren ein Anzeichen dafür, dass Gewalt an Menschen ebenfalls erfolgen könnte?

Reifinger: Studien zeigen, dass GewalttäterInnen oder MörderInnen wesentlich häufiger als die Durchschnitts-bevölkerung in ihrer Jugend durch Tierquälerei aufgefallen sind. Einerseits zeigt sich dadurch frühzeitig ein Hang zu Rohheit oder Sadismus, andererseits werden dabei Handlungen an meist wehrlosen Geschöpfen trainiert, die zu einem Gewöhnungseffekt führen und die eine Übertragung auf Menschen erleichtern. Mich irritiert in diesem Zusammenhang allerdings das Argument, die TäterInnen müssten härter bestraft werden, weil sie „später“ eine Gefahr für Menschen sein könnten. Das erweckt den Eindruck, dass die Misshandlung von Tieren allein „nicht so schlimm“ ist.

Wie schaffen Sie es, sich persönlich von sehr drastischen Fällen abzugrenzen?

Reifinger: Bezüglich Tierleid bin ich bestimmt sensibler als die meisten Menschen und es berühren mich nicht nur die dramatischsten Fälle von Tierquälerei. Ich habe, so gut es geht, gelernt, mit dem umzugehen, was ich an menschengemachtem Tierleid erlebt habe oder über die Medien erfahre. Ich bekomme dadurch aber eine gewisse Distanz zum Mensch.

Interview: Stephanie Scholz

 

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