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Universität

Zwei mit demselben Ziel

Aus VETMED 02/2019: Sie forschen, um neue Therapiemöglichkeiten für Krebs zu entwickeln: Veronika Sexl, Leiterin des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Vetmeduni Vienna, und Florian Grebien, Leiter des Instituts für Medizinische Biochemie der Vetmeduni Vienna, arbeiten daran, die Überlebensraten von Leukämie-PatientInnen zu verbessern. Finanziell unterstützt werden sie dabei vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC). Über Teamwork, verrückte Konzepte und ihre Schnittpunkte mit der Veterinärmedizin erzählen die beiden im VETMED-Gespräch.

Veronika Sexl und Florian Grebien arbeiten daran, die Überlebensraten von KrebspatientInnen zu verbessern. Foto © Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

Es ist winzig, misst nur wenige Nanometer und treibt den Zyklus und das Wachstum unserer Körperzellen voran: Das Protein CDK6 steht im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit von Veronika Sexl am Institut für Pharmakologie und Toxikologie. „Von diesem klitzekleinen Molekül ausgehend forschen wir in die Breite“, erklärt die Wissenschafterin. Seit langem weiß man, dass CDK6 bei vielen Krebserkrankungen eine Rolle spielt, da es die Zellteilung antreibt. In höheren Mengen ist es besonders bei Blutkrebserkrankungen vorhanden. „Darum arbeiten viele KrebsforscherInnen daran, dieses Protein in den Zellen zu bremsen, indem sie spezielle Hemmstoffe gegen CDK6 entwickeln“, so Veronika Sexl: „Wir aber konnten erstmals zeigen, dass CDK6 viel mehr kann und tut als bisher angenommen.“

Gleiches Ziel, anderer Forschungszugang: Während sich Veronika Sexl samt Team auf ein spezifisches Molekül konzentriert, verfolgt Kollege Florian Grebien den umgekehrten Weg. Mit Hilfe eines „globalen Ansatzes“ setzt seine Forschungsgruppe beim großen Ganzen an – und arbeitet in Richtung Detail. Dabei im Fokus stehen die molekularen Mechanismen hinter der Entstehung von Leukämie. „Unser Schwerpunkt liegt auf sogenannten Fusionsproteinen“, erklärt der Leiter des Instituts für Medizinische Biochemie der Vetmeduni Vienna, „sie entstehen, wenn Chromosomen zerbrechen und falsch wieder zusammengesetzt werden. Krebs wird sehr oft von diesen Fusionsproteinen angetrieben. Studiert man sie funktionell, kann man viel darüber lernen, welche Vorgänge eine Zelle braucht, um zur Krebszelle zu werden.“

Sowohl Veronika Sexl als auch Florian Grebien wollen mit ihrer Arbeit zur künftigen Weiterentwicklung der Therapie von KrebspatientInnen beitragen. „Dieses Ziel haben wir immer vor Augen“, so Florian Grebien. Gefördert werden beide Forschende und ihre Projekte aktuell durch je einen der begehrten European Research Council (ERC) Grants. 2016 erhielt Sexl einen „Advanced Grant“ in der Höhe von 2,5 Millionen Euro. Florian Grebien wurde 2015 ein mit 1,5 Millionen Euro dotierter „Starting Grant“ zuerkannt.

 

VETMED: Sie haben je einen der heiß begehrten ERC Grants erhalten. Fünf Jahre lang werden Sie damit vom European Research Council gefördert. Was bedeutet diese Finanzspritze für Ihre Forschungsarbeit?

Veronika Sexl: Der ERC Grant ist eine Eintrittskarte für vieles. Meiner Forschung hat er eine ziemlich große internationale Sichtbarkeit verschafft.

Florian Grebien: Für mich war der ERC Grant ein Wendepunkt in meiner Karriere. Die Förderung hat mir sehr viel Freiheit gegeben, mir erlaubt, in Ruhe ein Team aufzubauen und mich ganz auf die Forschung zu konzentrieren. Die Art und Weise, auf die wir momentan arbeiten können, macht sehr viel Freude und ist ein großer Luxus.

Sexl: Wir sind auch sehr dankbar für die großzügige Unterstützung der Vetmeduni Vienna, wir haben hier viele Möglichkeiten und eine ausgezeichnete Infrastruktur zur Verfügung.

VETMED: Viele Forschende bewerben sich um eine Förderung durch den ERC, nur wenige ausgewählte erhalten tatsächlich einen Grant. Worauf kommt es bei der Bewerbung an?

Sexl: Es geht darum, eine innovative Idee einzureichen, abseits des Mainstreams. Am besten, man denkt „out of the box“ und ein bisschen verrückt. Man muss das, was man methodisch umsetzen möchte, aber glaubhaft vermitteln können.

Grebien: Der ERC versucht, Projekte schon in einem sehr frühen Stadium zu fördern und gute Ideen zu unterstützen, das unterscheidet ihn von anderen Förderprogrammen. Dabei geht es um Exzellenz und Qualität.

VETMED: Beide forschen Sie an Blutkrebs – jedoch beschäftigt sich Veronika Sexl dabei vor allem mit einem speziellen Molekül, Florian Grebien sieht sich die Gesamtheit aller Moleküle an. Gibt es trotzdem Überschneidungen in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit?

Sexl: Auf jeden Fall. Das Spannende ist, zu sehen, dass beide Strategien aufgehen, funktionieren und wieder zusammenfinden. Wir ergänzen uns.

Grebien: Durch unsere unterschiedlichen Ansätze kommen verschiedene neue Möglichkeiten und Expertisen ins Spiel. Dadurch, dass wir uns austauschen, entsteht ein Mehrwert.

VETMED: Ihre unterschiedlichen Ansätze konnten Sie vor kurzem für Ihre erste gemeinsame Publikation nützen. Wie haben Sie da voneinander profitiert?

Grebien: Unser erstes gemeinsames Forschungsprojekt trägt den Titel „Direct Transcriptional Activation of CDK6 by NUP98-Fusion Proteins drives Acute Myeloid Leukemia“. Meine Forschungsgruppe hat sich damit beschäftigt, wie gewisse Fusionsproteine, die Leukämie auslösen, molekular funktionieren. Dabei stießen wir unabhängig von Veronikas Ergebnissen auf das Molekül CDK6 als zentralen Schalter und schlossen uns dann zusammen: Mit Hilfe von Tools und Methoden aus Veronikas Forschungsgruppe konnten wir die Rolle von CDK6 im Kontext dieser Krankheit noch näher untersuchen.

VETMED: Sie forschen, um krebskranken Menschen bessere Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Wo liegen die Bezüge Ihrer Arbeit zur Veterinärmedizin?

Sexl: Die Grundlagenforschung, die wir betreiben, lässt sich nicht auf eine Spezies festnageln, denn die Physiologie ist in allen Säugern im Grunde die gleiche.

Grebien: Krebs tritt nicht nur im Menschen, sondern auch bei Tieren auf, die molekularen Abläufe unterscheiden sich kaum. Unsere Forschung kann ebenso direkten Nutzen für die Behandlung von Tierpatienten haben.

VETMED: Nützen Sie auch Synergien mit KollegInnen der Veterinärmedizin?

Grebien: Technologien, die wir im Rahmen unserer Forschungsarbeit entwickeln, können auch in der Veterinärmedizin Anwendung finden. Wir kooperieren bereits mit der Kleintierklinik und zuletzt gab es auch Gespräche mit dem Institut für Virologie.

Sexl: Mit der Universitätsklinik für Pferde haben wir eine Kooperation, in der es um Stammzellforschung geht. Außerdem sind wir auf die Expertise der Labortiermedizin angewiesen, um unsere Studien durchführen zu können. Die Anknüpfungspunkte sind breit.

VETMED: Ganz konkret, wie wollen Sie die Behandlung von Blutkrebs mit Hilfe Ihrer Forschung für die Zukunft verbessern?

Grebien: Unser beider Forschung geht in Richtung einer ‚personalized medicine‘. Derzeit wird nicht überprüft, wie der Krebs jeder einzelnen Person auf molekularer Ebene funktioniert, sondern es wird für alle PatientInnen eine standardisierte Therapieform verwendet. Darum gibt es viel Spielraum, Behandlungen effizienter zu machen. Dazu möchten wir beitragen.