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Universität

BARF: Rohes Fleisch für Hund und Katz*

Aus VETMED 03/2020 – „BARF“ steht für biologisch artgerechte Rohfütterung (engl. Bones And Raw Foods oder Biologically Appropriate Raw Foods). Vom australischen Tierarzt Ian Billinghurst in den 1990ern geprägt, meint dies ursprünglich die Fütterung von rohem Fleisch und Innereien, Knochen und rohem Gemüse ohne Getreide. Inzwischen gibt es jede Menge BARF-Rezepte für Hunde und Katzen. Doch was gibt es beim „BARFen“ zu beachten? An der Vetmeduni beschäftigen sich Christine Iben, Professorin für Tierernährung, und Peter Paulsen, Professor für Fleischhygiene, mit unterschiedlichen Aspekten der Fütterungsmethode.

Die Motivation von TierbesitzerInnen, zur Rohfütterung ihrer Haustiere zu wechseln, ist vielfältig. Eine wichtige Rolle spielen gesundheitliche Probleme, etwa mit der Haut oder dem Verdauungstrakt. „Außerdem möchten die BesitzerInnen ihre Hunde möglichst natürlich und gesund ernähren“, sagt Christine Iben vom Institut für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe. Iben ist auf die Untersuchung der Auswirkungen von Fütterungsmethoden spezialisiert: „Manchmal können selbst zubereitete Diäten aus gesundheitlichen Gründen notwendig sein, etwa bei einer Futtermittelunverträglichkeit oder -allergie.“ Allerdings könnten diese Diäten auch in gekochtem Zustand verabreicht werden. Eine Notwendigkeit, roh zu füttern, bestehe praktisch nie.

Nährstoffe: Die Mischung macht‘s

An der Kotbeschaffenheit können TierhalterInnen kurzfristig erkennen, ob das Futter vertragen wird. Generell können gesunde, erwachsene Hunde jederzeit auf eine andere Art der Fütterung umgestellt werden. Berechtigt ist jedoch die Sorge, das Tier im „Alleingang“ nicht mit allen Nährstoffen ausreichend zu versorgen. Für Welpen und alte Hunde rät Iben von einer Umstellung auf Rohfütterung ab: „Bei wachsenden Hunden sind Nährstoffmängel oder -überversorgung möglich, während bei alten Hunden Leber und Niere zusätzlich belastet werden.“ Dies geschehe auf Grund des in BARF-Rationen meist hohen Eiweißgehalts, dessen Abbauprodukte diese Organe belasten.

BARF-BefürworterInnen lehnen Fertigfuttermittel ab, da bei deren Zubereitung bestimmte Nährstoffe zerstört werden und Zusatzstoffe einen reduzierten Nährwert besitzen. „Es ist nicht zu leugnen, dass durch die Erhitzung Nährstoffe – vor allem Vitamine – zerstört werden“, sagt Tierernährungsexpertin Iben. Erkrankungen durch Nährstoffmängel seien jedoch häufiger bei Hunden zu finden, die selbst zusammengestelltes Futter – roh oder gekocht – erhalten. Hierbei könne eine professionelle Diätberatung helfen: „So können Mängel, insbesondere bei der Versorgung mit Calcium und Phosphor, Spurenelementen wie Jod, aber auch Kupfer und Zink sowie Vitamin D schnell festgestellt und eine ausreichende Versorgung gewährleistet werden.“

Hygiene und Gesundheit an erster Stelle

Zusätzlich kommt es auf die hygienische Qualität an. „Roh gefütterte Hunde sind häufiger Salmonellenausscheider als Hunde, die kommerzielles Fertigfutter bekommen“, erklärt Christine Iben. „Therapiehunde sollten aus diesem Grund nicht roh gefüttert werden. Außerdem sollten Schilddrüsen im Rohfleisch entfernt werden.“ Das bestätigt eine Studie von Florian Zeugswetter1 (Klinische Abteilung für Interne Medizin Kleintiere), der einige Fälle roh gefütterter Hunde untersuchte, die durch die dauernde Aufnahme an einer Überfunktion der Schilddrüse erkrankt waren.

Ein Vorteil der BARF-Fütterung ist laut Iben die Reduktion von Zahnstein. Auch für die Umwelt kann BARFen positive Folgen haben. So fallen unter Umständen weniger Verpackungsmüll und kürzere Transportwege an, eine gewisse Energieersparnis geht mit der Rohzubereitung einher. Die möglichst vollständige Verwertung von Schlachttieren ist ein nachhaltiger Ansatz, der sowohl bei der Herstellung von BARF- als auch Fertigfutter verfolgt wird.

Im Gespräch mit Peter Paulsen (Institut für Lebensmittelsicherheit)

Keime im Futternapf: Richtiger Umgang mit Rohfütterung

VETMED: Herr Paulsen, Sie beschäftigen sich unter anderem mit den „Rohstoffen“ von Futtermitteln. Welche tierischen Produkte sind generell enthalten?

Peter Paulsen: Futter für Hunde oder Katzen enthält – egal ob als Konserve oder zur Rohverfütterung bestimmt – einerseits genusstaugliche Teile von Schlachttieren, das heißt Muskulatur und sogenannte Nebenprodukte der Schlachtung, wie etwa bestimmte Innereien. Andererseits werden auch tierische Nebenprodukte verwendet, die nicht zum Verzehr durch den Menschen bestimmt sind.

Welche Besonderheiten haben Rohfleisch-Futtermittel?

Paulsen: Es gibt bei den tierischen Nebenprodukten Gewebe, auf denen häufiger pathogene Bakterien nachgewiesen werden, etwa im Rachenbereich. Einige dieser Gewebe sind selbst unter Kühlung nicht lange haltbar. Das ist auch bei „gesunden“ Schlachttieren so. Während bei hitzebehandelten und damit sterilisierten Produkten praktisch alle Bakterien abgetötet werden, gibt es beim BARF-Material keine Maßnahme, um Bakterien abzutöten. Die Rohstoffe sollten daher schnell verarbeitet und am besten im tiefgekühlten Zustand in Verkehr gebracht werden.

Wie sieht die richtige Hygiene bei der Verwendung von rohen Fleischprodukten aus?

Paulsen: Im Prinzip gelten dieselben Maßnahmen wie beim Umgang mit rohem Fleisch oder Innereien für den menschlichen Verzehr. Messer, Schneidbretter, Futternäpfe etc. sollten möglichst glatt und leicht zu reinigen sein. Für eine Reinigung sind heißes Wasser und Spülmittel völlig ausreichend. Wichtig ist auch, dass nicht die Reste der letzten Futtermahlzeiten in der Schüssel kleben bleiben. Bei der Reinigung in der Geschirrspülmaschine werden Temperaturen von über 60 °C erreicht, damit ist eine ausreichende antibakterielle Wirkung gegeben.

 

Wie werden tiefgekühlte BARF-Portionen am besten aufgetaut?

Paulsen: Das Auftauen im Kühlschrank ist eine gute Methode, es muss nur darauf geachtet werden, dass kein Saft auf andere Lebensmittel oder Kühlschrankoberflächen tropft. Ein Auftauen in warmem Wasser ist sinnvoll, wenn nur eine Einzelportion aufgetaut wird und es weniger als eine halbe Stunde dauert. Der Vorteil ist, dass das Futter dann schon die richtige Temperatur hat.

Sie haben eine Reihe an mikrobiologischen Untersuchungen zu Futtermitteln gemacht. Zu welchen Ergebnissen sind Sie und Ihr Team gekommen?

Paulsen: Bei einer Untersuchung von 96 Hundefutterproben zur Rohverfütterung aus dem Wiener Handel konnte Johanna Koch (siehe Literaturhinweis) in sieben der 96 Proben Salmonellen und in zehn Proben Listeria monocytogenes nachweisen. Diese pathogenen Bakterien finden sich letztlich auch in der Futterschüssel und später im Heimtier. Es wurde zudem eine hohe Zahl an eiweißspaltenden Bakterien (Pseudomonaden) nachgewiesen. Der Mittelwert betrug 10 Millionen/g.

Was bedeutet das konkret?

Paulsen: Bei dieser Konzentration ist Fleisch schon geruchlich verändert und auch verfärbt – wenn es ein „normales“ Lebensmittel wäre, würde man von Verderb sprechen. Es ist verständlich, dass solche Ware nach dem Auftauen schnell, sprich am selben Tag, verbraucht werden muss. In der EU gibt es mikrobiologische Anforderungen für rohes Heimtierfutter. Werden diese angewendet, entsprachen 82 der 96 Proben wegen zu hoher Enterobacteriaceen-Gehalte nicht den Anforderungen. Es gab allerdings einige Proben mit deutlich niedrigeren Bakterienzahlen. Ähnliche Ergebnisse werden aus anderen Ländern berichtet. Das zeigt, dass mehr Aufmerksamkeit auf die Rohstoffauswahl und auf Lagerungsdauer und -temperatur gelegt werden sollte.

Anschließend haben Sie eine Studie zu Hundefutterkonserven durchgeführt – welche Unterschiede gibt es?

Paulsen: Da durch die Sterilisation die Bakterien abgetötet werden, kann nur der Zustand des Rohmaterials vor der Erhitzung bestimmt werden. Dies geschieht über die Bestimmung der sogenannten Totkeimzahl und die Messung hitzestabiler Eiweißabbauprodukte (biogene Amine). Die Totkeimzahl war um ca. ein Zehntel niedriger als die Keimzahl in den BARF-Proben, was auf die Verwendung besserer Rohstoffe in den Konserven hinweist. Bei den biogenen Aminen gab es Unterschiede zwischen den Produktgruppen. Der Grenzwert von 300 mg/kg für die Summe der Amine wurde bei sieben von 72 BARF-Proben überschritten, aber von keiner Konservenprobe. Auch dies weist auf die Verwendung von besserer Rohware hin.

Wie wird frisch eingekauftes Rohfleisch richtig verpackt und gelagert?

Paulsen: Am besten ist eine auslaufsichere Verpackung mit wenig oder keiner Restluft. Tiefgekühlt kann das Futter dann monatelang gelagert werden. Wenn es fertig abgepackt verkauft wird, gibt ein Etikett das Haltbarkeitsdatum und die Lagerungsbedingungen an. Die Haltbarkeit für die Lagerung im Kühlschrank hängt davon ab, wie „frisch“ das Material ist. Sie kann zwar mehrere Tage betragen, aber ist sicher deutlich kürzer als eine Woche; wenn Rohstoffe zu lange oder bei zu hoher Temperatur gelagert wurden, kann die Haltbarkeit auch weniger als ein Tag sein.

Wie lange darf rohes Futter im Napf stehen, falls das Tier es nicht gleich frisst?

Paulsen: Anders als bei Trockenfutter sollte bei Feuchtfutter, und insbesondere rohem Feuchtfutter, nur eine Portion vorgelegt werden. Wie lange es in der Schüssel stehen kann, ohne dass es zu einer Vermehrung unerwünschter Bakterien kommt, hängt unter anderem von der Umgebungstemperatur ab. Stehzeiten von einer halben Stunde sollten unproblematisch sein, bei vier Stunden im Sommer hätte ich schwere Bedenken.

Welche Gefahren können sich für weitere Hausbewohner durch die Rohfütterung ergeben?

Paulsen: Wenn das Futter pathogene Bakterien enthält, könnten diese direkt (zum Beispiel durch Tropfsaft im Kühlschrank) oder indirekt (zum Beispiel über Messer, Schneidbretter etc.) auf Lebensmittel gelangen oder von Menschen aufgenommen werden. In der Literatur gibt es Hinweise, dass Hunde nach Aufnahme pathogener Bakterien über das Futter zu „Ausscheidern“ selbiger werden können, womit ein Ansteckungsrisiko für Menschen nicht auszuschließen ist. Wie groß das Risiko wirklich ist, hängt davon ab, ob im Futter tatsächlich pathogene Bakterien vorhanden sind, in welcher Konzentration und wie die Fütterungshygiene ist. Erhitzte Futtermittel sind in dieser Hinsicht unproblematisch.

Literaturhinweise:

„Mikrobiologische Qualität von Muskelgewebe zur Rohverfütterung an Hunde“ von J. Koch, G. Flekna, Ch. Iben, F. J. M. Smulders und P. Paulsen

„Case report: Thyrotoxicosis in dogs caused by raw beef containing thyroid tissue“ von F. Zeugswetter, K. Vogelsinger und S. Handl

Zur Presseaussendung

 

* Der Artikel "BARF: Rohes Fleisch für Hund und Katz" ist auch im VETMED Magazin 03/2020 nachzulesen.

Download: VETMED – Das Magazin 03/2020

 

Text und Interview: Stephanie Scholz
Fotos: Michael Bernkopf und Stephanie Scholz