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Forschungsprojekte am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung

Aus VETMED 03/2018 - So vielfältig wie die Natur, so vielfältig sind auch die Forschungsfragen, denen Forschende am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) nachgehen. Drei aktuelle Projekte hat das VETMED genauer unter die Lupe genommen und Forschende nach ihren bisherigen Ergebnissen und Erkenntnissen befragt.

Ein Großteil der Forschung des KLIVV zielt darauf ab, die Mechanismen und adaptiven Funktionen der Partnerwahl und anderer Formen der sexuellen Selektion zu verstehen. Sexuelle Selektion treibt die Evolution einiger der erstaunlichsten und rätselhaftesten Merkmale von Tieren voran, wie etwa auffällige Färbung, komplexe Lautäußerungen oder aufwendige Balz-Darbietungen. Zu den Mechanismen, die die Partnerwahl bestimmen, gehören daher Balzsignale wie akustische, visuelle oder olfaktorische Kommunikation sowie Spermienkonkurrenz. Eine zentrale Forschungsfrage ist, ob und wie die Partnerwahl genetische und andere Vorteile für die Nachkommenschaft in Bezug auf wechselnde Umweltfaktoren bietet. Als sogenannte Modellorganismen werden am KLIVV eine Vielzahl von Tierarten im natürlichen Lebensraum, in semi-natürlicher Haltung sowie experimentell untersucht. Neben der klassischen Beobachtung des Verhaltens werden vermehrt molekulargenetische und biochemische Methoden eingesetzt, um genetische Vorteile zu ergründen.

Fische: Das seltsame Verhalten der Buntbarsche

In ihrer Forschung beschäftigt sich Franziska Lemmel-Schädelin mit Buntbarschen (Cichliden). Unter anderem untersucht sie das Brutverhalten dieser Fische, die mit hunderten von Arten die großen afrikanischen Grabenbruchseen besiedeln. Im Zuge von Feldforschungen fielen Lemmel-Schädelin zwei nahezu gleichgroße Arten auf: Neolamprologus pulcher und Neolamprologus caudopunctatus. Diese beiden Arten brüten Seite an Seite in Nestern unter Steinen oder in Felsspalten, nehmen dieselbe Nahrung zu sich und werden von denselben Räubern bedroht. „Obwohl diese Buntbarsche in den meisten ökologischen Belangen sehr ähnlich sind, weisen sie ein sehr unterschiedliches Fortpflanzungsverhalten auf“, erklärt Lemmel-Schädelin, die zusammen mit Doktorandin Filipa Cunha-Saraiva die sozialen Fähigkeiten der Fische untersucht. „Während N. pulcher in komplexen sozialen Gruppen, bestehend aus einem dominanten Brutpaar und bis zu 20 Helferfischen, leben, brütet N. caudopunctatus monogam nach dem Vater-Mutter-Kind-Modell.“

Anhand unterschiedlicher Forschungsansätze und Verhaltensexperimente analysieren die Forscherinnen, wo die Unterschiede während und außerhalb der Brutpflege sichtbar sind. Häufig verwenden die Wissenschafterinnen dazu bei beiden Buntbarscharten denselben experimentellen Aufbau und vergleichen die Ergebnisse miteinander. Dabei ist ihnen aufgefallen, dass bei diesen sehr ähnlichen Fischen unterschiedliche Verhaltensmuster auftreten. „Während beide Fischarten kleine Stapel aus natürlichen Steinen eindeutig bevorzugen, trägt die eine Art den darunterliegenden Sand weg, während die andere Art die Steine mit Sand regelrecht zuhäuft“, so Lemmel-Schädelin. „Mit Hilfe verschiedener Verhaltensexperimente wollen wir den Unterschieden in den sozialen Fähigkeiten auf die Spur kommen. So wollen wir herausfinden, ob die Fische zum Beispiel fähig sind, bekannte Artgenossen wie ‚Nestnachbarn‘ zu erkennen und auf diese angemessen zu reagieren.“ Um die Mechanismen der Brutpflege weiter aufzuschlüsseln, analysieren die Forscherinnen anhand von neuroendokrinologischen Untersuchungen Fischhormone wie Isotocin, das Fischäquivalent zum Kuschelhormon Oxytocin, sowie Arginin-Vasotocin, das Fischäquivalent zu Vasopressin, Prolaktin und Galanin. In einer aktuellen Studie untersuchen Lemmel-Schädelin und Cunha-Saraiva die soziale Kompetenz von Fischen mit unterschiedlicher früher („frühkindlicher") Lebenserfahrung beider Fischarten.

Vögel: Kräftesammeln beim Stopover

Migration von Vögeln ist ein erstaunliches Phänomen: Jedes Jahr bewegen sich Milliarden von Tieren zwischen den Kontinenten. Trotz modernster Forschung weiß der Mensch wenig über die physiologischen Anpassungen, die diese Wanderbewegungen ermöglichen. Die Arbeitsgruppe rund um Leonida Fusani untersucht den Vogelzug aus verschiedensten Perspektiven. „Zugvögel können vor der Wanderung ihr Gewicht verdoppeln“, erklärt Vogelforscherin Valeria Marasco. „Bei langen Nonstop-Flügen können die Tiere all ihre Energiespeicher und sogar ihre eigenen Organe verbrauchen, bis sie am Ziel sind.“

Langzeitstudien zur Biologie der sogenannten „Zwischenlandung“ (Stopover), welche seit Jahren auf der kleinen Mittelmeerinsel Ponza durchgeführt wird, haben gezeigt, dass Migrationsentscheidungen bei Vögeln von einer Reihe von Faktoren gesteuert werden. „Neben meteorologischen Bedingungen scheint der Ernährungszustand einer der Schlüsselfaktoren zu sein“, berichtet Leonida Fusani. Nach einem 500 km weiten Flug aus Nordafrika über das Meer erreichen die Vögel Ponza. „Vögel mit Restenergiespeichern verbringen vielleicht nur einen einzigen Ruhetag auf der Insel und setzen dann ihre Reise fort. Vögel, die ihre Energiereserven verbraucht haben, müssen dagegen bleiben und Nahrung suchen, bis sie sich ausreichend erholt haben.“

Aber woher wissen Vögel, wann es so weit ist? Welche physiologischen Signale helfen ihnen, diese Entscheidungen zu treffen? „Wir haben kürzlich entdeckt, dass das Hormon Ghrelin, das vom Magen-Darm-Trakt ausgeschieden wird, eines der beteiligten Signale ist“, erklärt Verhaltensökologin Sara Lupi. „Ghrelin gehört zur Familie der orexischen bzw. anorektischen Hormone, die den Appetit und die Nahrungsaufnahme regulieren. Gartengrasmücken haben eine erhöhte Konzentration von Ghrelin im Blut, wenn sie in guter Kondition sind. Als wir den Vögeln Ghrelin verabreichten, erhöhte sich ihr Migrationsdrang“, so die Forscherin. Mehrere weitere Projekte zur Migration von Vögeln, unter anderem, um längere Migrationsflüge zu simulieren oder Wachteln als Modellsystem zu etablieren, werden zurzeit von Vogelforscher Ivan Maggini und Molekularexperte Steven Smith durchgeführt.

Mäuse: Sexuelle Werbung - verlässliche Informationen oder Fake News?

Das Team um Dustin Penn und Sarah Zala erforscht sexuelle Selektion und Kommunikation von Tieren, vor allem den Informationsgehalt von Signalen. Hier reicht das Spektrum von verlässlicher Information über den Status und Gesundheitszustand eines Tieres bis hin zu manipulativer Fehlinformation. Ein Großteil der Forschung wird mit Hausmäusen (Mus musculus musculus) durchgeführt, wobei es sich meist um Wildhausmäuse handelt. „Visuell können Mäuse zwar farblich unauffällig erscheinen, jedoch scheiden die Männchen eine Vielzahl von chemosensorischen Signalen aus, die das Verhalten und die Physiologie von Artgenossen beeinflussen“, sagt Dustin Penn. „Wäre der menschliche Geruchssinn ebenso gut ausgeprägt wie jener der meisten Tiere, gäbe es vermutlich keine Vogelbeobachter, wohl aber Säugetier-Schnüffler-Clubs“, scherzt der Forscher.

Die Forschenden wollen herausfinden, warum dominante männliche Mäuse viel Zeit mit der Duftmarkierung verbringen und welche Informationen die Weibchen von diesem „erweiterten Phänotyp“ überhaupt erhalten. „Männliche Mäuse fügen ihrem Urin große Mengen Protein, auch Major Urinary Proteins, kurz MUPs genannt, hinzu, die Pheromone binden“, so Sarah Zala. Vor Kurzem fand das Forschungsteam heraus, dass dominante Männchen die Ausscheidung von bestimmten MUPs und anderen Pheromonen, die sexuell aufnahmefähige Weibchen anlocken, hochregulieren.

Bereits in einem früheren Projekt entdeckten Zala und Penn, dass weibliche Mäuse die Gesundheit eines Männchens anhand seiner Duftnoten beurteilen können. Nun testen die Forschenden, ob und wie Männchen MUPs und die flüchtigen Pheromonausscheidungen in Abhängigkeit ihrer Gesundheit regulieren können. „Während des Werbens um Weibchen geben Hausmäuse zusätzlich Ultraschallvokalisationen (USVs) ab, die überraschend komplex sind und – wenn sie für menschliche Ohren hörbar gemacht werden – wie Vogelstimmen klingen“, erklärt Sarah Zala. Im aktuellen FWF-finanzierten Projekt soll getestet werden, ob männliche USVs zuverlässige Indikatoren für den Gesundheitszustand sind und ob ihre sexuellen Signale verlässlicher sind, wenn Weibchen Informationen aus mehreren sensorischen Kanälen auswerten könne