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Ein Fall für(s) VETMED – Schritt für Schritt: Physikalische Therapie zur Steigerung der Lebensqualität

Im Seniorenalter oder verletzungsbedingt leiden Hunde oft unter schmerzhaften Beschwerden. Physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten wirken dem entgegen und können so die Lebensqualität enorm verbessern. In der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Vetmeduni machen TiermedizinerInnen den Hunden durch spezielle Übungen das Leben wieder leichter.

Erwartungsvoll schaut Kira vom Laufband ihre Therapeutinnen an, während um ihre Füße der Wasserpegel steigt. Sie weiß bereits, was sie erwartet, denn die kleine Beagle-Hündin ist ein regelmäßiger Gast in der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Vetmeduni. Mit ihren zwölf Jahren ist Kira bereits eine Seniorin. Und ein alter Hase bei der Absolvierung ihrer Trainingseinheiten, denn seit einigen Jahren machen Knieprobleme der Beagle-Dame zu schaffen. Doch mittlerweile haben die Tierärztinnen diese bestens im Griff. „Durch die Therapie können wir Kira eine höhere Lebensqualität ermöglichen“, so die behandelnden Tierärztinnen Kathleen Wittek und Bianca Reicher, die auf physikalische Therapie spezialisiert sind.

Die Krankenakte der Hündin ist lang – Patellaluxation und Kreuzbandriss an beiden Knien, eine erste Operation links im Jahr 2013, sowie eine weitere am rechten Knie. Das erste Mal wurde Kira im Dezember 2017 in der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation vorstellig. Die Symptome: eine ungleiche Belastung der Hinterbeine sowie ein Gang mit steifen Knien. „Unsere Patienten werden auch immer einer objektiven Lahmheitsanalyse unterzogen. Dabei wird gemessen, mit wieviel Kraft sie ihre Beine auf den Boden setzen. Diese Analyse zeigte bei Kira Abweichungen von bis zu 18 Prozent im Vergleich der beiden Hinterbeine. Aufgrund einer Innendrehung des linken Knies und des unrhythmischen Gehens hat Kira zudem Rückenschmerzen entwickelt, die ebenfalls bei uns behandelt werden“, so Wittek.

Unter Aufsicht der behandelnden Tierärztinnen absolviert Kira seit Ende 2017 – anfangs zweimal, inzwischen einmal pro Woche – ihr Training. „Vor jeder Therapieeinheit besprechen wir mit der Besitzerin Kiras allgemeinen Gesundheitszustand“, erklärt Wittek. Abgefragt wird dabei, wie es der Hündin nach der letzten Therapie ging, ob sich Veränderungen zeigen und ob sonstige Probleme wie beispielsweise Verletzungen oder Verdauungsbeschwerden aufgetreten sind. Zusätzlich wird vor jeder Therapie eingehend geprüft, ob die Hündin Schmerzen hat – wenn ja, wo und warum – und wie es um Muskulatur und Gelenke steht. „Dabei untersuchen wir die Hunde mit den Händen und ermitteln den Zustand des Gewebes“, zeigt Wittek auf. „Schmerz, Verspannungen, Triggerpunkte oder eingeschränkte Beweglichkeit werden so eruiert und dokumentiert, um die Therapie individuell anzupassen.“ Zu Kiras Behandlungsprogramm gehören Übungen wie Gehen auf dem Unterwasserlaufband, Lasertherapie sowie aktive Bewegungstherapie. Das VETMED hat Kira bei einer Therapieeinheit begleitet.

Gehen auf dem Unterwasserlaufband

  • Kräftigung der Muskulatur der Hinterbeine (durch Wasserwiderstand) mit geringerer Gewichtsbelastung der Gelenke der Gliedmaßen (durch Auftrieb des Körpers im Wasser)
  • Förderung der Gliedmaßenbelastung. Gleichmäßigere Belastung durch Steuerung der Geschwindigkeit und Gewichtsbelastung (Wasserhöhe – Auftrieb)
  • Förderung der Gelenkfunktion (besseres Beugen der Gliedmaßen, durch das Gehen im Wasser werden Gelenke automatisch mehr gebeugt)

VETMED: Wie wird das gemacht?

Kathleen Wittek: Zu Beginn einer Behandlungsserie wird der Hund langsam an das Wasser und das Gehen auf dem Laufband gewöhnt. Es werden anfangs zwei bis drei Minuten mit viel Lob und Leckerlis gearbeitet. Die Höhe des Wassers richtet sich nach der Größe des Tieres und danach, wie ‚leicht‘ das Tier im Wasser sein soll. Je höher der Wasserstand, desto weniger Gewicht müssen die Gliedmaßen tragen. Die Wasserhöhe hat aber auch Einfluss auf das Anheben der Beine und damit auf das Gangbild. Das Wasser kann einerseits die Balance stören, wenn es zum Beispiel per Hand verwirbelt wird, oder andererseits unterstützen, da das Tier im tieferen Wasser weniger leicht umfällt.

Wie reagieren die Hunde?

Wittek: Die meisten Hunde verstehen recht schnell, was im Unterwasserlaufband von ihnen erwartet wird. Meist kann ab der zweiten Sitzung die Trainingszeit langsam erhöht werden. Im Therapieverlauf werden Zeit und Geschwindigkeit dann so an das Tier angepasst, dass es in einem guten Rhythmus geht und der gewünschte Trainingseffekt für Muskulatur und Gelenke optimal erzielt wird.

Lasertherapie

  • Rücken
    • Reduktion von Schmerz und Verspannung, u. a. durch eine verbesserte Mikrozirkulation im Gewebe und eine analgetische Wirkung auf das Nervensystem
    • Förderung der Geweberegeneration bei Überlastung der Rückenmuskulatur
  • Knie beidseits
    • Schmerzreduktion durch eine verbesserte Mikrozirkulation im Gewebe, Ausschwemmen entzündungsfördernder Moleküle aus dem Gelenk
    • Förderung der Regeneration der betroffenen Strukturen des Gelenks (Gelenkkapsel, Bänder, Sehnen)

VETMED: Wie wird das gemacht?

Wittek: Wir verwenden einen Laser der Klasse IV. Das bedeutet, dass bevor der Laser eingeschaltet wird, jeder im Raum eine Schutzbrille tragen muss, auch das Tier. Denn Laser dieser Klasse können bei direktem und indirektem Kontakt mit dem ungeschützten Auge Schäden an der Netzhaut verursachen. Von der eigentlichen Therapie merkt der Patient fast nichts. Der Laser wird auf die Haut aufgesetzt und appliziert nach dem Einschalten die eingestellte Dosis auf dem entsprechenden Gebiet. Das Gewebe wird dabei nicht warm, denn der Laser ist nicht kontinuierlich in Funktion. Durch sehr kurze, aber hoch energetische Pulse gibt er dem Gewebe Zeit, die eingebrachte Energie weiterzuleiten, ohne sich dabei zu erwärmen. Das zu behandelnde Gebiet wird nach und nach abgearbeitet. Dabei wird der Patient gekrault oder bekommt das ein oder andere Leckerli zugesteckt. Einige Patienten schlafen bei der Lasertherapie sogar ein.

Aktive Bewegungstherapie

  • Gehen über Cavaletti
  • Stehen auf einem Donut-Ball
    • Verbesserung der Gliedmaßenbelastung und bewusste gleichmäßige Belastung
    • Aufbau und korrekte Nutzung der Muskulatur
    • Verbesserung der sogenannten Propriozeption (wo befinden sich die einzelnen Körperteile im Raum und im Verhältnis zum Rumpf und was machen sie dort gerade) sowie der Balance

VETMED: Wie wird das gemacht?

Wittek: Es gibt viele Übungen, die wir je nach Patient auswählen und immer wieder variieren, damit es für die Tiere nicht langweilig wird. Als erstes überlegen wir was wir mit dieser Übung erreichen wollen. In Kiras Fall wissen und sehen wir: Sie geht mit steifen Kniegelenken, hat etwas zu wenig Muskulatur an den Hinterbeinen und belastet das linke Hinterbein nicht so gut wie das rechte. Wir suchen daher eine Übung, bei der Kira ihre Kniegelenke etwas mehr beugen muss. Eine, die die Muskulatur zur Arbeit ‚zwingt‘ ohne sie zu überlasten. Außerdem soll die Übung Kira dazu bringen, abwechselnd das rechte und linke Beinpaar zu benutzen. Am besten in einem gleichmäßigen Rhythmus.

Welche Übungen sind dafür passend?

Wittek: Dafür sind Cavaletti hervorragend geeignet, denn der Hund muss über die Stangen steigen und damit die Gelenke mehr beugen, gleichzeitig aber auch, während ein Bein über die Stange geführt wird, auf dem anderen gut und sicher stehen. Werden die Stangen in einem gleichmäßigen Abstand entsprechend ihrer Größe aufgestellt, haben wir auch Einfluss auf die Schrittlänge und den Rhythmus. Das Ganze erfolgt natürlich mit Lob und Leckerlis, es soll ja Freude machen!

Wie kann dies noch trainiert werden?

Wittek: Eine andere Übung ist das Stehen auf einem Donut-Ball. Die haben wir ausgewählt, weil wir einen instabilen Untergrund wollen. Kiras Rückenschmerzen resultieren zu einem großen Teil aus ihrem ‚schiefen‘ Gangbild und damit aus einer ungleichmäßigen Belastung ihrer Wirbelsäulenmuskulatur. Das Stehen auf den Ball und damit auf instabilem Untergrund führt zu einer vermehrten Grundspannung im gesamten Körper und damit auch in der Bauch- und Rückenmuskulatur. Diese Muskelarbeit der Wirbelsäule können wir noch zusätzlich verstärken, indem wir den Ball unter Kira etwas bewegen. Dabei wird der Ball nur so stark bewegt, dass Kira es schafft, ohne zusätzliche Schritte diese Bewegung auszugleichen. Für die Patienten ist das ausgesprochen anstrengend und wird daher nur für kurze Zeit durchgeführt. Eine weitere gute Übung für Kira wäre das Gehen im Slalom, denn hier muss sie die Wirbelsäule gleichmäßig biegen. Außerdem muss sie dabei ihre Beine bewusst setzen.

Weitere Informationen und Kontakt zur Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Vetmeduni

Text und Interview: Stephanie Scholz
Fotos: Stephanie Scholz