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Ein voller Bauch verjüngt den Siebenschläfer

02.09.2016: Der Winterschlaf galt bislang als das Geheimnis der vergleichsweise hohen Lebenserwartung von Siebenschläfern. Ein Forschungsteam der Vetmeduni Vienna konnte nun erstmals zeigen, dass für ein langes Leben üppige Mahlzeiten sorgen, wenn die Nager in der Aktivitätsphase im Sommer wach sind. Je mehr Nahrung zu dieser Zeit verfügbar ist, desto besser können Siebenschläfer das Altern ihrer Zellen kompensieren und ihnen sogar zusätzliche Lebenszeit verschaffen. Die Studie wurde im Journal of Experimental Biology veröffentlicht.

Wenn die Nahrungsverfügbarkeit zu schlecht ist, hält ein Siebenschläfer bis zu elf Monate Winterschlaf, mit kurzen mehrstündigen Unterbrechungen, um die Körperfunktionen aufrecht zu halten. In diesen kurzen Zeiträumen fressen und trinken die Tiere nichts und verlassen auch ihre unterirdische Schlafkammer nicht. Während der Phasen mit extrem reduziertem Stoffwechsel, auch Torpor genannt, ist auch die Teilung der Körperzellen auf ein Minimum verringert. Dies galt in der Wissenschaft bislang als eine Erklärung für die, verglichen mit ähnlich großen Säugetieren wie Mäusen, Ratten oder Eichhörnchen, hohen Lebenserwartung der Siebenschläfer.

Biomarker für zelluläre Alterung

Als ein möglicher natürlicher Parameter, ein sogenannter Biomarker, für die zelluläre Alterung dient die Länge der sogenannten Telomere. „Telomere bilden Kappen an den Enden der Chromosomen und schützen sie vor dem Abbau“, erklärt Franz Hölzl vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna. Immer wenn sich eine Zelle teilt, schrumpfen diese Kappen nach und nach. Sind die Telomere fast aufgebraucht, kann sich eine Zelle nicht mehr teilen und dies führt nicht selten zum Zelltod. Bisher ging man davon aus, dass die reduzierten Körperfunktionen im Winterschlaf diesen Vorgang bremsen. Die langen „Schlafphasen“ des Siebenschläfers würden somit die hohe Lebenserwartung erklären.

Winterschlaf verlangsamt nicht die Zellalterung

Hölzl und sein Team zeigten nun jedoch, dass der Winterschlaf nicht der Grund für verlangsamte Alterungsprozesse der Tiere ist. Vor allem die kurzen Wachphasen während des Winterschlafs führten zur starken Verkürzung der Telomere. Um so öfter die Tiere ihren Winterschlaf unterbrachen, desto kürzer waren die Telomere danach. Nachdem die WissenschafterInnen das gezeigt hatten, suchten sie nach alternativen Erklärungen und fanden heraus, dass die eigentliche „Verjüngungskur“ in der Aktivitätsphase der Siebenschläfer passiert. Allerdings muss dafür ausreichend Futter vorhanden sein.

Als Zeitpunkt für ihre Untersuchungen wählten die Forschenden daher ein Jahr mit einem geringen Angebot des bevorzugten Futters der Nager, den Bucheckern. Dann teilten sie die Tiere in zwei Gruppen auf. Eine bekam zusätzlich Sonnenblumenkerne, die eine ähnliche Zusammensetzung wie Bucheckern haben. Die andere Gruppe musste mit dem natürlichen Nahrungsangebot auskommen. Von allen Tieren wurden vor dem Versuchsbeginn und nach Abschluss des Experiments Speichelproben genommen. Aus diesen Proben gewann das Forschungsteam das Erbgut und analysierte mit molekularen Methoden die Länge der Telomere.

Ausgiebige Mahlzeit hält Zellen jung

Diese DNA-Untersuchungen zeigten, dass die Telomerlänge am Ende des Experiments direkt vom Nahrungsangebot abhing. Nur bei der Gruppe mit dem zusätzlichen Futterangebot konnte die gleiche Länge oder sogar eine Verlängerung der Endkappen festgestellt werden. Die Tiere, die nur mit dem natürlichen Nahrungsangebot auskommen mussten, konnten dagegen die Verkürzung der Telomere kaum ausgleichen und demnach die Alterungsprozesse ihrer Zellen nicht verlangsamen.

Die Fähigkeit der Siebenschläfer ihre Telomere zu verlängern ist sehr ungewöhnlich. In anderen Lebewesen, darunter auch der Mensch, passiert Telomerverlängerung nur in den Keim- und in Tumorzellen. Die Siebenschläfer haben somit einen Weg gefunden, ihr Zellen physiologisch jung zu halten und dabei keinen Krebs zu entwickeln.

Der Artikel „Telomere dynamics in free-living edible dormice (Glis glis): the impact of hibernation and food supply“ von Franz Hölzl, Jessica S. Cornils, Steve Smith, Yoshan Moodley und Thomas Ruf wurde im Journal of Experimental Biology veröffentlicht.