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  • Alumni-Karrierewege
Vorhang auf für Ihre Karriere!

Alumni als Interviewpartner:innen gesucht!

Wir suchen Absolvent:innen der Vetmeduni, die über ihren Karriereweg berichten. Verraten Sie uns in einem Interview mehr über Ihren Berufseinstieg, Ihre Stationen, Ihre (Um)Wege und Ihre Motivation. Unsere Studierenden und Leser:innen freuen sich, wenn Sie uns teilhaben lassen an Ihren Erfahrungen. 

Ihnen fällt ein tolles Vorbild aus Ihrer beruflichen Laufbahn ein? Schreiben Sie uns, wer Sie inspiriert hat und schlagen Sie Ihr Role Model für ein Interview vor.

Wir freuen uns von Ihnen zu hören!

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Unsere Alumni im Gespräch:

Andreas Pichlmair - Professor für Virologie an der School of Medicine der TU München

Andreas Pichlmair ist Professor für Virologie an der School of Medicine der TU München und Leiter der Massenspektrometrie Core Facility. Aus seiner Ausbildung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat er sich den Blick für den Gesamtorganismus bewahrt, auch wenn er heute die Interaktion zwischen Virus und Wirt im Zellmodell untersucht. Ziel seiner Grundlagenforschung ist, den Krankheitsverlauf und seine Treiber auf der Ebene der Proteinregulation zu verstehen.

Steckbrief:

  • FACHGEBIET:  Virologie
  • POSITIONSBESCHREIBUNG: Professor für Virologie und Leiter der Massensprektrometrie Core Facility an der School of Medicine der TU München 
  • DERZEITIGER STANDORT: München (Deutschland)

Wordrap:

  • Ich war an der Vetmeduni ... von 1996 bis zum Doktorat 2003
    Mein Tipp an Absolvent:innen der Vetmeduni ... Wenn man sich für etwas interessiert, schafft man alles. Das trägt einen sehr und lange. Ein Ziel vor Augen haben und dafür die nächsten weiteren Schritte kennen.
  • Mein Lieblingsort an der Vetmeduni  ... das Labor der Virologie und die ÖH-Bar.

Lesen Sie das gesamte Interview weiter unten - bitte ausklappen.

Was hat Sie an die Vetmeduni geführt? Ein klassischer Tierarzt sind Sie nicht geworden. War das einmal ein Ziel?

Andreas Pichlmair: Eigentlich wollte ich Tierarzt werden, seit ich fünf Jahre alt war. Mein Vater war ein Großtierarzt mit eigener Praxis in Oberzeiring, einem Dorf in der Obersteiermark. Den Beruf fand ich schön und faszinierend. Vor allem, wie neues Leben entsteht, hat mich gefesselt. Alles, was mit Zucht, Reproduktionsmedizin und Geburten zu tun hat, aber auch Erkrankungen. Als ich mit dem Studium begann, wurde das Schaf Dolly kloniert. Ich bin an die Uni gegangen mit der Perspektive eine gewisse Zeit zu bleiben und zu forschen, hätte aber nie gedacht, dass ich einmal Professor an einer medizinischen Fakultät werde. Im Curriculum der Vetmeduni bin ich an den vorklinischen Fächern, insbesondere an der Virologie, hängengeblieben.

 

Was hat Sie geprägt in dem Umfeld? Woran merken Sie das heute noch?

Pichlmair: Der Blickwinkel auf Erkrankungen aus einer medizinischen Fachrichtung hat mich geprägt. Es haben sich in der Veterinärmedizin nicht viele Studierende auf Virologie und Infektionsmedizin spezialisiert. Ich habe mit diesem Interesse am Campus gleichsam offene Türen eingerannt und viel Unterstützung bekommen. Das hat mich bestärkt im Karriereweg. Für die Unterstützung einzelner Professoren bin ich nach wie vor sehr dankbar.

 

Was hat Sie an der Virologie so gepackt und wie kam es zu der weiteren Spezialisierung?

Pichlmair: Wenn man die Faszination für die Sache spürt, ergeben sich die Wege. Viren sind sehr kleine Pathogene mit wenigen Genen, die enorme Auswirkungen auf den Gesamtorganismus haben. Wie kann ein Organismus mit so limitierter Codierungskapazität menschliche Zellen mit 20.000 Genen infizieren und die Strukturen zur Reproduktion kapern? Diese Beziehung und Interaktion sind hoch interessant und unzureichend verstanden. Kommt es zu einer Infektion oder nicht? Erholt sich der Wirt oder verschlimmert sich das Krankheitsbild? Was sind die Determinanten eines negativen Krankheitsverlaufes? Wir sehen uns das heute auf Ebene der Proteinexpression in den Zellen an (Proteomics). Es ist ein komplexes Themengebiet, das die Erfahrungen aus meinen verschiedenen Wirkungsstätten vereint.

 

Wie Sie nach Wien kamen, haben wir besprochen. Aber wie ging es weiter mit dem Doktorat am Department für Virologie der Universität Freiburg (2002) und zum PhD bei Cancer Research UK in London (2004)?

Pichlmair: An der Vetmeduni haben wir mit retroviralen Vektoren für den Gentransfer gearbeitet, um Therapien zu entwickeln. Beim Wechsel nach Freiburg habe ich als erster aufgezeigt, als jemand gesucht wurde, der ins dortige Virologie-Labor gehen möchte. Die renommierte Uniklinik dort brachte den Wechsel in die Humanmedizin und zur Interaktion von Eiweißmolekülen mit durch Luft übertragene Erreger wie Influenza, die für Mensch und Tier wichtig sind. Es gar nicht einfach, die kritischen Meilensteine auf dem Karriereweg festzumachen. Es war wohl letztlich genauso wichtig Studienassistent zu sein, wie sich um die Professur zu bewerben.

 

Sie leiten die Massenspektrometrie Core Facility an der TU München. Wann und wie ist diese Technologie in ihr Leben getreten?

Pichlmair: Für den PhD bin ich nach London gegangen und habe dort v.a. am angeborenen Immunsystem gearbeitet. Danach stellte sich die Frage welche komplementären Technologien sich dazu eignen die Forschung am Gebiet weiterzubringen. Ich hatte das Glück, Giulio Superti-Furga kennenzulernen, der mich ans Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien geholt hat. Dort haben wir die Proteomik in Zellen mit Massenspektrometrie erforscht. Ein fantastisches Tool, um Proteine zu identifizieren, dabei auch geeignet, neue molekulare Mechanismen zu entdecken, die nicht auf der Hand liegen. Es gibt Leute, die sagen, dass man mit den -omics-Technologien hypothesenfrei arbeiten kann. Das sehe ich nicht so. Wir hatten klare Vorstellungen, was wir identifizieren wollen, und welche wichtigen Fragen wir mit dieser Technologie beantworten möchten. Die Massenspektrometrie erlaubt Einblick in ein größeres Bild, aber man braucht schon eine konkrete Vorstellung, was dort zu sehen sein kann.

 

Wie hat Sie die Ausbildung an der Vetmeduni auf ihr aktuelles Arbeitsgebiet vorbereitet?

Pichlmair: Ich glaube, man brauchte ein Fundament, auf das man aufbaut. Bei mir ist es das Verständnis für den Organismus und physiologische Vorgänge im Körper. Auch wenn wir heute an kleinen Molekülen arbeiten steht immer die Frage dahinter, wie sich das auf den Organismus und das Krankheitsgeschehen auswirkt.

 

Ist die Leitung der Core Facility vor allem eine Frage der Administration, oder sind Sie über die Methodik in ganz viele Fragestellungen eingebunden?

Pichlmair: Wir haben am CeMM rasch das Potenzial der Proteomics gesehen. Dieses Know-how habe ich dann am Max-Planck-Institut für Biochemie erweitert. Als ich den Ruf an die TU München bekommen habe, war eines der Ziele, dass wir den Bereich hier aufbauen und der lokalen Forschungslandschaft zur Verfügung stellen. Die Facility selbst bedeutet natürlich einiges an Administration. Wir sind neben unseren eigenen Projekten unterschiedlich stark involviert, teilweise nur als Dienstleister aber auch als aktive Kollaborationspartner. In der Wissenschaft sind wir keine Einzelkämpfer – die Core Facility ist ein Paradebeispiel dafür. Der Großteil meiner Arbeitszeit fließt aber in eigene Forschung und natürlich die Lehre. Ich unterrichte Virologie an der School for Life Sciences. Wir gewinnen dort auch Studierende, die bei uns mitarbeiten wollen und ich sehe es als eine meiner Aufgaben, ihre Karrierewege zu unterstützen. Im Hinterkopf habe ich oft, wie wichtig es für mich war Unterstützung in dieser Phase meiner Ausbildung zu bekommen, um das umzusetzen, was ich als wichtig erachtet habe.

 

Wir haben noch nicht über Ihre aktuelle Forschung geredet. Sie haben nach einem Consolidator Grant 2018 im Jahr 2022 einen Proof of Concept Grant des European Research Council zugesprochen bekommen. Was ist das Thema dieser Grundlagenforschung?

Pichlmair: Viren infizieren Zellen und bauen ihre Strukturen stark um, um sie zur eigenen Vermehrung verwenden können. Unter anderem ist die Proteinsynthese wichtig und wir sehen uns in vereinfachten zellulären Modellen an, welche Effekte Viren auf die Eiweißmoleküle in der Zelle haben. Welche Signalwege sich verändern oder welche Gegenmaßnahmen die Zelle trifft, um die virale Infektion zu unterbinden. Die Protein-Abundanz, also die Häufigkeit und Dichte sowie ihre Stabilität kann man nur mit Massenspektrometrie charakterisieren. Wir beobachten auf dieser Ebene wichtige regulatorische Mechanismen, die noch nicht gut verstanden sind.

Eine Virusinfektion induziert eine Fülle komplexer Prozesse, die wir im Modell aufzuklären versuchen. Validiert werden sie in komplexeren Experimenten in Patient:innen oder Tiermodellen. Ein Gesamtbild der realen Vorgänge werden wir in unserer Lebenszeit vermutlich nicht gänzlich erforschen können. Wir konzentrieren uns auf Aspekte, die man charakterisieren kann und die einen therapeutischen oder diagnostischen Nutzen haben können. Wir müssen das reduzieren und dabei nicht vergessen, dass es nur ein Teil des Bildes ist. So versuchen wir den großen Graben zwischen Anwendung und Forschung zu überbrücken.

 

Was vermissen Sie an Österreich, seit Sie den Lebensmittelpunkt nach München verlegt haben?

Pichlmair: Der Schmäh geht mir etwas ab. Das ist schon etwas Besonderes an der österreichischen Mentalität: der leichtere, lockere Umgang mit schweren Sachen. Vielleicht gründe ich hier noch eine Core Facility für Schmäh.

 

(Das Interview hat Astrid Kuffner geführt. Stand Q4/2023)

Veterinärmedizinerin Barbara Forstner - die vielseitige Tierärztin

Barbara Forstner behandelt Haustiere, Nutztiere und wilde Tiere gleichermaßen. Neben der eigenen Gemischtpraxis ist sie zoologische Leiterin im Tierpark der Stadt Haag, in dem 700 Tiere leben, die 70 verschiedenen Arten angehören. Neben breiter medizinischer Erfahrung und Unerschrockenheit ist die Kunst der Improvisation eine wichtige Voraussetzung für die Zootierärztin. Dabei steht sie nicht an, ständig dazuzulernen.

Steckbrief:

  • FACHGEBIET:  Zootierärztin und Gemischtpraxis (in NÖ)
  • POSITIONSBESCHREIBUNG: Zoologische Leitung im Tierpark und fahrende Tierärztin mit eigener Praxis
  • DERZEITIGER STANDORT: Stadt Haag in Niederösterreich

Wordrap:

  • Ich war an der Vetmeduni ... von 2013 bis 2020
    Mein Tipp an Absolvent:innen der Vetmeduni ... Bei jeder Möglichkeit „Ja“ sagen. Auch zu unmöglichen Zeiten, weil nur da etwas sieht man was. Nur dann ist Not am Mann, man darf hingreifen, lernt die Handgriffe. Es ist sowieso kein Job, den man zwischen 8 und 15 Uhr lernt oder ausübt.
  • Mein Lieblingsort an der Vetmeduni  ... war der Botansiche Garten am Campus der Vetmeduni.

Lesen Sie das gesamte Interview weiter unten - bitte ausklappen (Stand 2023).

Wollten Sie immer schon Tierärztin werden?

Barbara Forstner: Nein! Ich bin als Bücherwurm auf dem väterlichen Schweinemastbetrieb in Oberösterreich aufgewachsen. Meine Traumvorstellung war, Lektorin in einem Buchverlag zu werden, also fürs Bücherlesen bezahlt zu werden. Auf Wunsch meiner Eltern habe ich die HBLA Elmberg absolviert, aber auch sonst waren Tiere in meiner Kindheit und Jugend bei aller Bücherliebe permanente Begleiter. Ich habe Praktika auf einer Alm mit Milchkühen gemacht und war in Schweden auf einem Schafbetrieb. Zuhause ging es weiter. Keine Babykatzen im Bett zu haben, war die Ausnahme. Meine Mutter ist Lehrerin und ihr war wichtig uns Kindern Naturverbundenheit zu vermitteln. Sie hielt Hühner und Enten. Mein Vater war Jäger und brachte immer wieder verwaiste Rehkitze mit, die wir von Hand aufzogen. Wir hatten einen Hund und viel Platz, sodass wir – vom Wellensittich bis zum Aquarium – alle möglichen Tiere halten konnten. Ich durfte auf dem Nachbarhof reiten lernen und habe dort bald jede freie Minute mitgearbeitet. Inmitten dieser permanenten Praxiserfahrung mit ganz verschiedenen Tieren reifte der Wunsch mich hier weiterzubilden. Ich habe die Aufnahmeprüfung an der Vetmeduni beim ersten Antritt geschafft. Meine Eltern haben mich nur noch selten gesehen, weil ich nebenbei immer viel Praxis gesammelt habe. Mein Bruder hat dankenswerterweise den Betrieb übernommen. Und ich übe heute meinen Traumberuf aus.

 

Das ist bestimmt eine gute Vorbereitung gewesen. Im Tierpark der Stadt Haag leben ja Vögel, Fische, kleine und große, heimische und exotische Tiere, verschiedene Fleisch- und Pflanzenfresser. Was gehört als zoologische Leiterin des Tierparks zu Ihren Aufgaben?

Forstner: Wir sind insgesamt etwas über ein Dutzend Leute in der Tierpflege und Instandhaltung, also ein kleines Team. Daher ist jeder für alles zuständig. Die zoologische Leitung habe ich im Jänner 2023 als Nebentätigkeit auf Werkvertragsbasis übernommen. Die Stelle war ausgeschrieben und ich habe mich im Hearing unter rund 15 Bewerber:innen bewähren können. Als Zootierärztin ist man nicht Tierarzt von Zootieren, sondern Lebensraumgestalter für sehr viele Arten. Zuständig vom Management von Parasiten, bis zur Reproduktionsplanung, der Teilnahme an Arterhaltungsprogrammen mit der ganzen Dokumentation und Registrierung, Populationsmanagement, Zuchtplanung – das ist also ein sehr breites Spektrum. Auch die Entnahme für Tiere aus unserem Bestand, um sie zu verfüttern, gehört zu meinen Aufgaben.

 

Im Hauptberuf sind Sie fahrende Tierärztin mit eigener Praxis. Wie kam es dazu?

Forstner: Ich habe relativ rasch nach dem Studium mit 26 Jahren meine Praxis eröffnet. Davor habe ich bereits fünfeinhalb Jahre bei Karl Auinger in St. Valentin, der mein Vorgänger als zoologischer Leiter war, mitgearbeitet. Der war vom alten Schlag und hat mich in viele Behandlungen eingebunden: im Zoo und im Stall. Es gibt für mich nicht viel, was ich vorher noch nicht gesehen habe. Seit März 2021 bin ich selbständige Tierärztin in Stadt Haag. Das war eine „jetzt-oder-nie“- Geschichte. Das Praxisgebäude wurde nahe dem Tierpark gebaut und die Stadt Haag wollte eine Tierärztin/einen Tierarzt im Ort. Ich mache etwa auch die Fleischbeschau. Ich wollte das Geschäft zum Laufen bringen, bevor ich Kinder bekomme. Meine Tochter ist im Dezember 2022 auf die Welt gekommen.

 

Hat Sie die Uni gut auf ihre beiden Berufsfelder vorbereitet?

Forstner: Ich habe im Studium nicht das Wildlife und Conservation Management Modul belegt, aber ein halbes Jahr bei Thomas Voracek, dem Leiter der Zoodocs in Schönbrunn, mitgearbeitet. Ich habe stattdessen das Vertiefungsmodul Lebensmittelwissenschaften, öffentliches Veterinär- und Gesundheitswesen (LöVG) gemacht. Das kommt mir heute sehr entgegen, denn Bürokratie und Kontakt zum Amt sind Teil meines Arbeitslebens. Im Herbst 2023 hatten wir in der Region Vogelgrippe-Alarm. Wir haben alle unsere Vögel im Tierpark eingesperrt, aber wir haben etliche Wasserflächen, wo Wildvögel auch hinkommen. Berichtspflichten, Testungen und Sicherheitsauflagen für Mitarbeiter:innen zu erfüllen. Ich kann nur sagen: das Modul hat da nicht geschadet.   

 

Was war der aufregendste Notfall? Im Tierpark leben ja auch Löwe, Leopard, Tiger und Braunbär.

Forstner: Koliken oder Geburten, da wirst du als Tierärztin gerufen. Im Tierpark sind Notfälle nicht so häufig, vieles ist vorhersehbar. Manchmal gibt es hässliche Verletzungen. Der schönste Notfall, bei dem ich assistieren durfte, war ein Kaiserschnitt bei einer Leopardin - das war ein Nervenkitzel. Die Kleinen haben leider nicht überlebt, aber die Leopardin wurde wieder schwanger. Der springende Punkt ist: ich bin keine Fachtierärztin, sondern zuständig in Feld, Wald und Wiese – die Doktorin und das liebe Vieh. Als Zootierärztin muss ich flexibel sein und bin mit viel Herzblut dabei. Ich arbeite sehr breit und oft muss ich erfinderisch sein. Die Bedingungen und das Tier selbst bestimmen den Rahmen. Es gibt oft keine 0815-Medikation oder Verabreichungsform. Da muss ich herumprobieren. Neulich habe ich getrocknete Mangos, die meine Tochter dabeihatte, erfolgreich bei einem Nasenbären eingesetzt. Vor einiger Zeit haben wir im Blutbild einer alten Großkatze eine Entzündung gesehen und auf eine Pankreatitis getippt. Als wir sie narkotisiert hatten, sahen wir, dass sie eine Zahnwurzelbehandlung braucht. Da musste ich kreativ werden. Denn das ist nicht mein Spezialgebiet. Ich habe nur die 40 Minuten, wo sie gut schläft. Ich habe den abgebrochenen Zahn versorgt und kürettiert. Zudem kann ich postoperativ nicht täglich spülen und reinschauen. Es gab danach zum Glück keine Probleme. Manchmal brauchen wir Mut zur Lücke. Perfektion ist nicht immer möglich, aber ich bilde mich in verschiedenen Bereichen beständig weiter.

 

Neben dieser Beherztheit, Erfindungsgeist und Bescheidenheit brauchen Sie wohl auch scharfe Munition...

Forstner: Das Betäubungsgewehr ist wohl mein bester Freund im Umgang mit den Wildtieren und im täglichen Gebrauch. Die scharfe Waffe für Notfälle ist noch nie notwendig gewesen. Ich habe den Jagdschein und den Waffenschein in Wien während des Studiums gemacht

 

Was sehen Sie als bisherigen Erfolg – worauf sind Sie stolz?

Forstner: Ich freue mich, dass ich ein Superteam habe, auf das ich mich verlassen kann. Ich handle nach der Maxime, die ich im Studium auf einem Kongress der internationalen Vereinigung der Zootierärztinnen und -ärzte mitgenommen habe. Da waren einige Vortragende, die am Ende ihrer Fallpräsentationen eingestanden haben, dass man es sicher besser hätten machen können. Diese Zunft ist nicht abgehoben und meint nicht für alles die beste Lösung schon parat zu haben. Ich spreche also sehr viel mit umliegenden Tierärzten und Tierärztinnen und tausche mich auch mit Spezialist:innen über mögliche optimierbare Lösungen aus.

 

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?

Forstner: Ich wecke meine Tochter, wir frühstücken und fahren in den Tierpark für die tägliche Rundfahrt.  Ich bin derzeit eineinhalb Stunden pro Tag in der Ordination. Wenn ich komplexe Eingriffe habe, übernehmen Oma oder Papa unsere Tochter. Der ehemalige zoologische Leiter ist mein Vertreter und wenn ich absehbar Fachexpertise brauche, ziehe ich Kolleg:innen hinzu.

Vetmeduni: Danke für das Gespräch!

 

(Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.)

Masterabsolventin Annika Bremhorst (Mensch-Tier-Beziehung/Human–Animal Interactions)

Annika Bremhorst war 2012 eine der Pionierinnen im Interdisziplinären Masterlehrgang Mensch-Tier-Beziehung am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni. Mit einem Joint-PhD-Degree der Universitäten Bern und Lincoln sowie zwei Kindern ist sie heute als Canine Scientist selbstständig und bietet mit Dogs and Science Forschung, Wissenschaftskommunikation, und Training rund um den Hund an. Beim Thema KI in der Hundeverhaltensforschung ist sie vorne dabei.

Steckbrief:

  • FACHGEBIET:  Canine Scientist: Hundeverhaltensforschung, Kommunikation und Training
  • POSITIONSBESCHREIBUNG:  Firmengründerin dogsandscience.com, Post-Doc Associate Researcher Uni Haifa und Lincoln 
  • DERZEITIGER STANDORT: Zürich

Wordrap:

  • Ich war an der Vetmeduni ... von 2012 bis 2016
    Mein Tipp an Absolvent:innen der Vetmeduni ... seine Ziele und Träume nicht aus dem Blick zu verlieren.
  • Mein Lieblingsort an der Vetmeduni war ... war unter dem Baum vor dem Messerli Forschungsinstitut.

Lesen Sie das gesamte Interview weiter unten - bitte ausklappen (Stand 2023).

Sie haben zunächst Verhaltensbiologie studiert und ihre Bachelorarbeit über Makaken verfasst. Wie sind Sie auf den Hund gekommen?

Bremhorst: Schon vor dem Studium. Ich bin eine „Canine Scientist“, Hunde sind meine Kernforschungsspezies. Ich fand sie von klein auf faszinierend und wir hatten selbst einen Hund. Nach der Matura habe ich eine Ausbildung zur Hundetrainerin gemacht und so auch das Geld für mein Studium verdient. Ich wollte noch mehr über die Spezies lernen und ihr Verhalten erforschen. Mit meiner Bachelorarbeit an der Universität Göttingen habe ich meine erste eigene Forschungsstudie im Bereich Verhaltens- und Kognitionsbiologie durchgeführt und dabei viel gelernt, was auch für meine Hundeverhaltensforschung relevant war.

 

Sie sind also von Stuttgart zum Studium nach Göttingen und haben sich 2012 als eine der Pionierinnen im Interdisciplinary Master of Animal Human Interaction (IMHAI) eingeschrieben. Wie kam es zum Wechsel nach Wien?

Bremhorst: Während der Bachelorarbeit habe ich ein Info-Mail zu diesem Masterstudium bekommen. Als ich vom „Clever Dog Lab“ gelesen habe, dachte ich mir: Das ist perfekt für mich. Wir waren im ersten Jahrgang ausschließlich Studentinnen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen, wurden aber in jede Richtung unterstützt und konnten eine breite Basis zu Kognition und Verhalten, Tierethik, komparative Medizin für Mensch und Tier und Animal Welfare aufbauen. Ich habe in meiner Masterarbeit Empathie bei Hunden erforscht – also wie sich die Stimmung durch emotionale Laute von Menschen und anderen Hunden auf Hunde überträgt. Nach dem Abschluss war mir klar, dass ich einen PhD machen möchte, um meine Forschung weiterführen zu können.

 

Ihr Weg führte weiter an die Universitäten Bern (Schweiz) und Lincoln (England) für ein Joint PhD Degree. Wie können wir uns das vorstellen?

Bremhorst: Während der Masterarbeit wurde mir bewusst, dass wir über das emotionale Ausdrucksverhalten von Hunden noch nicht sehr viel wissen – ein Thema, das mich interessierte. Die Gruppe von Hanno Würbel an der Universität Bern und die von Daniel Mills an der University of Lincoln sind bekannt für die Erforschung von Animal Welfare, Behaviour, und Emotions; in Lincoln ist zudem Verhaltensmedizin im Fokus.

Als sie eine Stelle für ein gemeinsames Doppeldoktorat Projekt ausgeschrieben haben, habe ich zugegriffen. Ich habe beide Graduiertenschulen besucht (2016 bis 2019) und die Prüfungen gemacht, hatte an beiden Standorten Supervisoren und habe an beiden Unis gleichzeitig promoviert mit einer Arbeit über den Ausdruck von Emotionen in der Mimik von Hunden. Im letzten Jahr des Doktorats habe ich auch mein erstes Kind bekommen und 2021 den Abschluss gemacht.

 

Das klingt herausfordernd. Wie ging es weiter?

Bremhorst: Ich hatte ein Post-Doc Funding in England zugesagt bekommen, konnte das mitten in der Pandemie aber nicht antreten. Da bin ich einen Schritt zurückgetreten und habe mich gefragt, warum ich mich auf meine akademische Reise gemacht habe. Mir war klar: Ich komme aus der Praxis, ich liebe Forschung zu Hunden und möchte wissenschaftliche Ergebnisse hinaustragen. Das interessiert so viele Hundehalter:innen! Ich habe mich also in den vergangenen zwei Jahren in der Wissenschaftskommunikation weitergebildet und habe Anfang 2022 meine Firma „Dogs and Science“ gegründet.

 

An der Schnittstelle von Hundeverhalten, Emotionen und Wohlbefinden bieten Sie Forschung, Wissenschaftskommunikation und Training an. Wie funktioniert das?

Bremhost: Es ist alles noch im Aufbau. 2022 ist mein zweites Kind zur Welt gekommen und ich musste einen Weg finden, der zu mir und meinem Leben passt. Um weiter forschen zu können habe ich gleichsam mein eigenes Forschungsinstitut gegründet. Und ich bin da nicht die Einzige. Ich stehe mit zwei Kolleginnen in Kontakt, die es auch so gemacht haben – wir unterstützen uns gegenseitig. Wenn es mir gelingt auf diese Weise ein Einkommen zu generieren, möchte ich selbst Preise für Forschung vergeben. Das ist noch Zukunftsmusik, aber ich möchte zurückgeben, was ich auch bekommen habe.

 

Wie wurde an der Uni damit umgegangen, dass Sie Forscherin und Mutter sind?

Bremhorst: In der Hundeforschung sind sehr viele Frauen. Man braucht das Verständnis der anderen für die Situation – Kolleg:innen mit Kindern kennen das. Ich arbeite also weiter – großteils remote – als Associate Researcher am „Tech4animals Lab“ der Universität in Haifa (Israel) und der University of Lincoln. Die enge Zusammenarbeit auf große Distanzen klappt sehr gut. Im PhD-Programm wurde mir immer wieder geraten, „mal ein bisschen langsamer zu machen“. Ich versuche mitzuhalten, muss aber einen Gang zurückschalten. Mein Sohn war während der Wissenschaftskommunikations-Ausbildung in vielen Online-Meetings dabei. Das war kein Thema und er winkt zum Abschied immer.

 

Ein Spezialgebiet von Ihnen ist KI in der Verhaltensforschung. Was hat es damit auf sich?

Bremhorst: Ich habe 2019 während meines PhD einen ersten Workshop zur Verknüpfung von Computer Science und Verhaltensforschung an der Universität Bern organisiert. Der stieß auf großes Interesse. Durch mehrere Kollaborationen mit Anna Zamansky, Computer Scientist und Leiterin des Tech4Animals Labs der Universität Haifa, habe ich dieses Interesse weiterverfolgt. Wir haben Daten aus meiner Dissertation mit Labrador Retrievern in ein erstes KI-Modell eingespeist, das die emotionale Mimik beim Hund erkennen soll. Bei Katzen sind wir schon weiter, aber Hunde sehen so unterschiedlich aus. Sie kommunizieren über Mimik und Körpersprache, aber teilweise sehr subtil. Das ist nicht leicht zu beobachten. Das Ziel ist, ein solides KI-Modell zu entwickeln, dass emotionales Ausdrucksverhalten bei Hunden zuverlässig erkennen kann und vielleicht praktisches Wissen empirisch zu belegen.

 

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Bremhorst: In den vergangenen Jahren habe ich durch meine Kinder die meiste Arbeit zwischen 19 Uhr und 1 Uhr Früh erledigt: Forschungsanträge schreiben, Studien planen, Datensammeln und auswerten, Artikel schreiben, Workshops für Science Communication planen, und so weiter. Meine Aufgaben sind wirklich sehr vielfältig – ich arbeite an einer Reihe von Forschungsprojekten mit internationalen Kolleg:innen verschiedener Universitäten, dazu kommt meine Firma also der unternehmerische Bereich, den ich abdecken muss.

 

Auch wenn Sie einen Gang zurückgeschaltet haben, sind Sie mit viel Drive unterwegs. Was motiviert Sie dazu?

Bremhorst: Es fasziniert mich und macht mir Spaß, sonst würde ich das nicht durchhalten. Ich habe viel gekämpft, um diesen Weg gehen zu können. Es ist einfach mein Thema seit Kindertagen. Ich war die Erste aus meiner Familie an der Uni, musste mich einsetzen und widersetzen. Das gebe ich nicht so einfach auf und versuche stattdessen einen Weg für mich zu finden, meine Hundeverhaltensforschung fortzuführen.Wissenschaftliche Institutionen bieten derzeit oft noch wenig Flexibilität, sich an veränderte Lebenswelten anzupassen.

Vetmeduni: Danke für das Gespräch!

 

(Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.)