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Baustart für ein modernes Universitätsgebäude für Wildtierkunde

Am Standort Wilhelminenberg wird durch die Zusammenarbeit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) mit dem Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung (BMFWF) ein multifunktionales Gebäude für die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni) errichtet. Heute Vormittag erfolgte der symbolische Spatenstich zum Baustart.

In Holzbauweise wird auf rund 2.000 Quadratmetern ein modernes Mehrzweckgebäude gebaut, das Ende 2027 in Betrieb gehen soll. Der Bund investiert dafür rund 22,1 Mio. Euro, wobei davon 20 Mio. Euro für die Errichtung und 2,1 Mio. Euro für die Ausstattung vorgesehen sind. Finanziert wird das Projekt durch das BMFWF und wird gemeinsam mit der BIG umgesetzt, die ihrerseits für die gesamte Projektabwicklung verantwortlich ist. Geplant wurde der Neubau vom Wiener Architekturbüro Delta Pods Architects.

Am Wilhelminenberg befinden sich das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) und das Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV). Die beiden Institute benötigen mehr Raum für die wissenschaftliche Forschung und Lehre sowie Büroflächen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gemeinsam mit Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner fand heute der Spatenstich mit Geschäftsführerin der BIG Christine Dornaus und dem Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien Matthias Gauly statt.

Holzbauweise und Geothermie

Im Erdgeschoß des Multifunktionsgebäudes befinden sich nach der Fertigstellung die Chemielabore und Räume für die Lehre sowie ein Mehrzwecksaal, im ersten Obergeschoß sind Genetik-Labore und Büros angesiedelt. Ergänzende Labor- und Technikflächen sind künftig im Untergeschoß untergebracht. Beide Universitätsinstitute nutzen die Räumlichkeiten für Lehre, Wissenschaft und Forschung. Die Energieversorgung zur Heizung und Kühlung des Gebäudes erfolgt mittels Geothermiesonden, eine kompakte Bauweise sorgt für einen geringen Energieverbrauch. Die Decken und Wände der Obergeschoße bestehen aus Holz und durch eine Holzfassade fügt sich das Gebäude optisch in die Umgebung des Wienerwalds ein.

Der Universitätsstandort wird entwickelt

Das neue Universitätsgebäude wird in der ersten Bauphase am Wilhelminenberg errichtet. In der zweiten Bauphase werden die bestehenden Gebäude des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie saniert, die Übergabe erfolgt voraussichtlich im Jahr 2028.

Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung: „Mit diesem Bauprojekt bieten wir nicht nur den Studierenden, Lehrenden und Forschenden des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Räumlichkeiten und Infrastruktur, um ihr Potenzial im Bereich der Wildtierforschung, Wildtiermedizin und Ökologie bestmöglich zu entfalten. Gleichzeitig befördern wir auch die Campusentwicklung am Wilhelminenberg, an dem neben dem FIWI auch noch das Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung und das Messerli Forschungsinstitut angesiedelt sind. Mit dem Neubau stärken wir also die Veterinärmedizinische Universität und den Wissens- und Forschungsstandort Wien in den Lebenswissenschaften.“

Christine Dornaus, Geschäftsführerin der Bundesimmobiliengesellschaft: „Das neue Gebäude ist der erste Baustein für die Entwicklung des Forschungsstandorts am Wilhelminenberg. Ziel der Bundesimmobiliengesellschaft ist die Schaffung eines optimalen Umfelds für die Forscherinnen und Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die qualitativ hochwertige Architektur des Holzneubaus harmoniert mit dem grünen Wilhelminenberg. Mit dem Wintersemester 2027 erfolgt die Fertigstellung des Neubaus.“

Matthias Gauly, Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien: „Die Vetmeduni steht für exzellente Forschung und Lehre im Bereich der Lebenswissenschaften. Mit dem Bauprojekt am Wilhelminenberg stärken wir nicht nur unsere Position als führende Institution in der Wildtier- und Verhaltensforschung, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Forschungsstandorts Wien. Ich danke der Stadt Wien und dem Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung für ihre Unterstützung, die dieses Vorhaben möglich macht.“

Claudia Bieber, Leiterin des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie: „Am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, wo das Bauprojekt derzeit umgesetzt wird, verbinden wir Grundlagenforschung mit angewandten Projekten, um ökologische Herausforderungen wie den Verlust der Biodiversität oder den Klimawandel zu bewältigen. Dieser Neubau wird uns dabei helfen, unsere Arbeit auf höchstem Niveau fortzusetzen und neue Erkenntnisse in der Wildtierforschung zu gewinnen.“

Rückfragehinweis:
Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien
medienanfragen@vetmeduni.ac.at 

Römische Pferdezucht nördlich der Alpen: Neue Erkenntnisse aus Archäologie und Genetik

Eine internationale Forschungsgruppe unter Federführung von Elmira Mohandesan vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni und unterstützt durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), hat bahnbrechende Erkenntnisse über die Pferdezucht und Nutzung von Equiden (Pferden und Maultieren) in der Römerzeit nördlich der Alpen gewonnen. Die Studie basiert auf mehr als 400 archäologischen Funden und integriert modernste genetische Analysen mit historischen und archäologischen Belegen. Die Studie beleuchtet, wie die Römer ihre Pferde und Maultiere für militärische, wirtschaftliche und zivile Zwecke nutzten und welche Auswirkungen dies auf die lokale Bevölkerung und Tierhaltung hatte.

Größere Pferde, neue Praktiken

Die römische Eroberung des nördlichen Alpenvorlands im Jahr 15 v. Chr. markierte einen Wendepunkt in der Geschichte der Region. Neben politischen und kulturellen Veränderungen brachten die Römer auch neue Tierarten und Zuchtstrategien mit. Die Wissenschafter:innen analysierten morphologische Proben von über 40 Pferden aus der späten Eisen- und Römerzeit. Dabei stellten sie fest, dass die römischen Pferde im Durchschnitt deutlich größer waren als ihre eisenzeitlichen Vorgänger. Historische Quellen berichten, dass die Römer die kleinen Pferde der lokalen germanischen Stämme als ungeeignet für den Einsatz in der Kavallerie betrachteten und daher größere Tiere importierten.

Interessanterweise konnte die Studie keine genetische Grundlage für die größere Statur der römischen Pferde identifizieren. Dies deutet darauf hin, dass andere Faktoren wie verbesserte Ernährung, Haltung oder gezielte Zuchtpraktiken eine Rolle gespielt haben könnten. „Die Römer importierten nicht nur Tiere, sondern brachten auch ihr Fachwissen in den Bereichen Zucht und Tierhaltung mit“, erklärt Studienleiterin Elmira Mohandesan vom KLIVV der Vetmeduni.

Genetische Vielfalt durch Import

Die Daten zeigen, dass die Römer Pferde aus ihrem gesamten Reich einführten, aus Regionen so weit entfernt wie Hispanien, Britannien und Thrakien. Dieser Zustrom förderte die genetische Vielfalt in der Alpenregion. Historische Texte und genetische Beweise bestätigen auch eine klare Unterscheidung in der Verwendung: männliche Pferde wurden in erster Linie für militärische Zwecke eingesetzt, während weibliche Pferde zivile Aufgaben wie Zucht und Transport übernahmen.

Maultiere: Unverzichtbar, aber nicht heimisch

Maultiere – die robusten Nachkommen von Pferden und Eseln – waren für die römische Logistik unverzichtbar, da sie Güter und militärische Vorräte transportierten. Die Studie fand jedoch keine Hinweise auf eine lokale Maultierzucht nördlich der Alpen. Stattdessen wurden Maultiere wahrscheinlich aus spezialisierten Zuchtzentren in Provinzen wie Gallia Belgica oder südlich in Italien importiert. „Dies unterstreicht den Umfang und die Effizienz des römischen Handels- und Logistiknetzwerks“, merkt Mohandesan an.

Ein Vermächtnis des kulturellen und technologischen Austauschs

Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie tiefgreifend der Einfluss der Römer auf die Tierhaltung und -zucht in den eroberten Gebieten war. Die römische Armee brachte nicht nur neue Pferderassen in die Region, sondern auch fortschrittliche Zuchtmethoden und Kenntnisse der Tierhaltung. Dies führte zu dauerhaften Veränderungen in der lokalen Landwirtschaft und Infrastruktur. „Die Römerzeit war eine Ära des kulturellen und technologischen Austauschs, in der Tiere eine zentrale Rolle spielten. Durch die Kombination moderner Genetik mit Archäologie können wir diese Geschichten zum Leben erwecken und besser verstehen, wie Menschen und Tiere sich gegenseitig geprägt haben,“ sagt Mohandesan.

Der Artikel “Late Iron Age and Roman equine breeding north of the Alps: Genetic insights and cultural implications” von Muhammad Bilal Sharif, Azadeh Fatemeh Mohaseb, Ludovic Orlando, Konstantina Saliari, Günther Karl Kunst, Sigrid Czeika, Marjan Mashkour, Thomas Cucchi, Joris Peters, Simon Trixl und Elmira Mohandesan wurde in iScience veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel
 

Vogelstimmen, Nistkästen und mehr – Tag der offenen Tür der Vogelwarte in Seebarn

Am 10. August 2025 öffnete die Außenstelle der Vogelwarte in Seebarn am Wagram im Rahmen des Dorffests erneut ihre Pforten, um Einblicke in die wissenschaftliche Arbeit und laufende Projekte zu geben.

Als wissenschaftliche Einrichtung der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) widmet sich die Österreichische Vogelwarte seit mittlerweile mehr als zehn Jahren der Erforschung der heimischen Vogelwelt, deren Biologie und Ökologie. Die Außenstelle in Seebarn im Bezirk Tulln befindet sich mitten in der Weinregion am Wagram und bietet den Wissenschafter:innen einen idealen Ausgangspunkt für ihre Forschungsarbeit. Das Team rund um den Wildtierökologen Richard Zink beschäftigt sich in verschiedenen wissenschaftlichen Projekten vor allem mit gefährdeten Vogelarten wie dem Steinkauz oder dem Wiedehopf. Die Expert:innen setzen dabei auf verschiedene Forschungsmethoden, wie Citizen Science oder Vogelmarkierungen.

Blick hinter die Kulissen

Trotz des heißen Wetters nutzten zahlreiche Gäste den Tag der offenen Tür der Vogelwarte am 10. August, um sich an verschiedenen Infoständen über aktuelle Projekte zu informieren und Interessantes über die vielfältigen Aufgaben der Vogelwarte zu erfahren. Das Gebäude der ehemaligen Volksschule der Gemeinde Seebarn dient heute als Arbeits- und Übernachtungsstätte für die Wissenschafter:innen der Außenstelle der Vogelwarte der Vetmeduni. Ein besonderes Highlight war die Möglichkeit, mithilfe eines Mikroskops Gewölle von Greifvögeln zu analysieren. Bei Gewöllen oder Speiballen handelt es sich um unverdauliche Reste der Beute, die Greifvögel und Eulen auswürgen. Anhand dieser Überreste lässt sich die jeweilige Vogelart bestimmen. Zudem stellten die Wissenschafter:innen der Vogelwarte Nistkästen in allen Formen und Größen aus, wobei die Expert:innen erläuterten, welche Vogelarten darin brüten und wie die Kästen im Rahmen der Projekte angebracht werden.

Die Besucher:innen konnten zudem Vogelstimmen erraten und deren Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensräumen kennenlernen. Im Ausstellungsraum wurden verschiedene Exponate präsentiert und ein kurzer Film gab Einblicke in die tägliche Arbeit und die Aufgaben der Außenstelle der Vetmeduni.
 

Hinweis: Die Außenstelle der Vogelwarte in Seebarn bietet ein umfangreiches Exkursions- und Seminarprogramm. Hier können Interessierte gemeinsam mit Expert:innen die Vogelwelt und ihre Lebensräume erkunden und Fachvorträge besuchen.     
  

 

Wetterbedingungen haben keinen Einfluss auf Stresshormone von Zugvögeln nach der Mittelmeerüberquerung

Eine neue Studie unter der Leitung der Vetmeduni zeigt, dass Zugvögel erstaunlich gut an die Herausforderungen langer Flüge über das Mittelmeer angepasst sind. Selbst unter wechselhaften Wetterbedingungen bleiben ihre Stresshormonwerte stabil, was darauf hindeutet, dass sie physiologisch bestens auf diese Strapazen vorbereitet sind.

Die Forscher:innen untersuchten zwei Zugvogelarten – die Gartengrasmücke (Sylvia borin) und die Dorngrasmücke (Curruca communis) – während ihrer Frühjahrswanderung. Die Vögel wurden auf der italienischen Insel Ponza gefangen, nachdem sie das Mittelmeer überquert hatten. Dabei analysierten die Forschenden die Konzentration des Stresshormons Corticosteron (CORT) im Blut der Vögel, sowohl in Ruhe als auch unter Stressbedingungen.

„Es ist faszinierend zu sehen, wie gut diese kleinen Vögel auf die Herausforderungen ihrer Reise vorbereitet sind. Ihre Fähigkeit, selbst unter schwierigen Wetterbedingungen stabil zu bleiben, zeigt, wie anpassungsfähig sie sind,“ sagt Studienerstautorin Erica Calabretta vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni.

Ergebnisse zur Wetterresistenz

Die Ergebnisse der Studie sind überraschend: Weder Windverhältnisse noch Temperaturen während des Fluges hatten einen Einfluss auf die Grundwerte des Stresshormons. Selbst bei moderaten Gegenwinden oder kühleren Temperaturen zeigten die Vögel keine erhöhten Stressreaktionen. „Wir hatten erwartet, dass widrige Wetterbedingungen die Stresshormonwerte erhöhen würden, aber das war nicht der Fall,“ so Calabretta weiter.

Strategische Entscheidungen und Anpassungsfähigkeit

Laut den Forscher:innen verfügten jene Vögel, die ihr Ziel erreichten, über ausreichende Energie- und Fettreserven und waren in hervorragender körperlicher Verfassung. Die Studie hebt hervor, dass die Tiere ihre Abflugzeit und -bedingungen strategisch wählen, um die Überquerung des Mittelmeers erfolgreich zu bewältigen. „Diese Vögel sind wahre Meister der Planung“, sagt Studien-Letztautor Leonida Fusani, Leiter des KLIVV. „Sie warten auf die besten Bedingungen, bevor sie ihre Reise antreten und teilen ihre Energie gut ein – und das zahlt sich aus.“ Diese Ergebnisse gelten allerdings nur für Vögel, die die Überquerung erfolgreich abgeschlossen haben. „Wir wissen nicht, wie viele Vögel es nicht schaffen, die Reise zu beenden“, gibt Calabretta zu bedenken. „Das ist eine wichtige Frage, die wir in zukünftigen Studien untersuchen müssen.“

Die mediterrane Region hat in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme unvorhersehbarer Wetterereignisse erlebt, was die Bedeutung dieser Forschung unterstreicht. „Extreme Wetterbedingungen könnten die Energiereserven der Vögel erschöpfen und ihre Fähigkeit beeinträchtigen, mit Stressfaktoren wie Raubtieren umzugehen“, so Ivan Maggini (KLIVV).

Die Forschung zeigt, wie anpassungsfähig Zugvögel sind, doch bleibt unklar, wie sie auf extremere Wetterbedingungen reagieren würden. „Wir müssen die physiologischen Mechanismen besser verstehen, die es diesen Vögeln ermöglichen, solche Herausforderungen zu bewältigen“, sagt Leonida Fusani. Die Ergebnisse sollen helfen, den Schutz von Zugvögeln zu verbessern, insbesondere angesichts des Klimawandels.

Der Artikel “Passerine stopover physiology: weather variability does not alter corticosterone dynamics after sea crossing” von Erica Calabretta, Virginie Canoine, Massimiliano Cardinale, Ivan Maggini und Leonida Fusani wurde in Journal of Avian Biology veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

05-08-2025
 

Geschlechtsspezifische Auswirkungen einer ketogenen Diät während der Schwangerschaft auf Mäusenachkommen

Eine aktuelle Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien in Kooperation mit der Université Paris Cité in Frankreich hat die Auswirkungen einer ketogenen Diät (KD) während der Schwangerschaft auf die Entwicklung und Lebensspanne von Mäusenachkommen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst eine kurze, zehntägige Umstellung auf eine fettreiche, kohlenhydratarme Ernährung während der späten Embryonalentwicklung geschlechtsspezifische und langfristige Effekte auf die Nachkommen haben kann.

Die ketogene Diät, die durch eine drastische Reduktion der Kohlenhydratzufuhr und eine Erhöhung des Fettanteils in der Ernährung gekennzeichnet ist, wird zunehmend als therapeutische Maßnahme bei verschiedenen Erkrankungen wie Epilepsie, Diabetes und sogar neurologischen Störungen eingesetzt. Doch die Auswirkungen einer solchen Diät während der Schwangerschaft sind bislang wenig erforscht. Diese Studie liefert neue Erkenntnisse über die potenziellen Risiken und Vorteile einer ketogenen Ernährung während der pränatalen Entwicklung.

Weniger weibliche Nachkommen und geringeres Geburtsgewicht

Die ketogene Diät wurde für 10 Tage während der Schwangerschaft (G8.5 bis G18.5) verabreicht, einer kritischen Phase der Organogenese, in der sich die meisten Organe des Embryos entwickeln. Die Diät bestand zu 84 % aus Fett, 11 % aus Protein und 5 % aus Kohlenhydraten. Nach der Geburt erhielten die säugenden Weibchen und später die Nachkommen nach dem Absetzen eine Standarddiät, um die Auswirkungen der pränatalen Diät von postnatalen Einflüssen zu trennen. Die Studie umfasste zwei Kohorten von Mäusen, die unter unterschiedlichen Haltungsbedingungen in Frankreich und Österreich aufgezogen wurden. Die Ergebnisse waren in beiden Kohorten konsistent, was die Robustheit der Daten unterstreicht.

Die Forscher:innen fanden heraus, dass eine zehntägige ketogene Diät (KD) zu einer Reduktion der Wurfgröße und einem unausgewogenen Geschlechterverhältnis führte, wobei männliche Nachkommen häufiger überlebten. Weibliche Embryonen waren anfälliger für die negativen Effekte der Diät, was möglicherweise zu einer erhöhten embryonalen Sterblichkeit führte. Zudem hatten weibliche Nachkommen der KD-Gruppe ein geringeres Geburtsgewicht, das sich jedoch bis zum 16. Lebenstag normalisierte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass weibliche Nachkommen besonders empfindlich auf die metabolischen Veränderungen reagieren, die durch eine ketogene Diät während der Schwangerschaft ausgelöst werden“, erklärt Sarah M. Zala, Hauptautorin der Studie und Forscherin am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni.

Die Studie hebt hervor, dass die erhöhte Anfälligkeit weiblicher Embryonen möglicherweise auf die spezifische Empfindlichkeit weiblicher Plazenten gegenüber diätetischen Veränderungen zurückzuführen ist. Frühere Studien haben gezeigt, dass weibliche Plazenten stärker auf die Fettzusammensetzung der Ernährung reagieren, was zu einer erhöhten Vulnerabilität führen könnte.

Verkürzte Lebensspanne bei männlichen Nachkommen

Langfristig zeigte sich, dass männliche Nachkommen der KD-Gruppe im späteren Leben eine erhöhte Körpermasse und eine signifikant verkürzte Lebensspanne aufwiesen. Weibliche Nachkommen waren weniger stark betroffen. „Die Tatsache, dass männliche Nachkommen im Alter eine kürzere Lebensspanne hatten, ist besorgniserregend und deutet darauf hin, dass die Auswirkungen einer ketogenen Diät während der Schwangerschaft weit über die Geburt hinausgehen können“, so Sarah M. Zala.

Die Forscher:innen stellten fest, dass die männlichen Nachkommen der KD-Gruppe ab einem Alter von etwa zweieinhalb Jahren eine signifikant höhere Körpermasse aufwiesen, die bis zu ihrem natürlichen Tod anhielt. Interessanterweise war diese Gewichtszunahme nicht auf Fettleibigkeit zurückzuführen, da keine übermäßige Fettansammlung festgestellt wurde. Die genauen Ursachen für die erhöhte Körpermasse bleiben jedoch unklar und erfordern weitere Untersuchungen.

Keine langfristigen metabolischen oder Verhaltensänderungen

Trotz der Unterschiede in Lebensspanne und Körpermasse fanden die Forschenden keine Hinweise auf langfristige metabolische Veränderungen oder Verhaltensauffälligkeiten wie Angst oder Depression bei den Nachkommen. Die metabolischen Profile der Nachkommen, einschließlich Blutzucker- und Ketonkörperwerte, blieben im normalen Bereich, und es wurden keine Unterschiede in der spontanen Aktivität oder in Tests zur Angst- und Depressionsanfälligkeit festgestellt. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die ketogene Diät während der Schwangerschaft keine dauerhaften metabolischen oder verhaltensbezogenen Auswirkungen auf die Nachkommen hat, zumindest nicht in den getesteten Parametern“, sagt Diana Zala, Studien-Letztautorin (Institut für Psychiatrie und Neurowissenschaften in Paris, Frankreich).

Pathologische Untersuchungen und Reproduktionsfähigkeit

Pathologische Untersuchungen zeigten keine Unterschiede in der Häufigkeit von Tumoren zwischen den KD- und Kontrollgruppen. Dies ist besonders bemerkenswert, da frühere Studien darauf hingewiesen haben, dass ketogene Diäten bei erwachsenen Mäusen die Häufigkeit bestimmter Tumorarten reduzieren können. Auch die Fortpflanzungsfähigkeit der Nachkommen wurde durch die Diät nicht beeinträchtigt.

Laut den Forschenden sind weitere Untersuchungen notwendig, um die zugrunde liegenden Mechanismen besser zu verstehen und die Risiken einer ketogenen Diät während der Schwangerschaft genauer zu bewerten. Insbesondere sollten zukünftige Studien die epigenetischen Veränderungen untersuchen, die durch die Diät ausgelöst werden könnten, sowie die potenziellen Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung und das Altern.

Der Artikel “Sex-dependent effects of a gestational ketogenic diet on offspring birth and lifespan” von Sarah M. Zala, Renata Santos, Eva Strasser, Alice Schadder, Sarah Kugler, Verena Strauss, Anna Kübber-Heiss und Diana Zala wurde in PLOS One veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel


31-07-2025

Feuersalamander: Die Struktur des Lebensraumes beeinflusst das Risiko von Prädation

Der in Österreich heimische Feuersalamander wehrt sich gleich doppelt gegen Raubtiere: Durch seine auffällige Warnfärbung und durch ein weißliches, giftiges Sekret, das er aus Drüsen auf seinem Rücken absondern kann. Die Warnfärbung ist unterschiedlich auffällig – was laut einer soeben veröffentlichten Studie des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Salamander vor Fressfeinden nur bedingt schützt. Was jedoch einen wirksamen zusätzlichen Schutz bieten würde, sind nicht-bewirtschaftete Waldgebiete.

Raubtier-Beute-Interaktionen sind eine Art evolutionäres Wettrüsten – beeinflusst von Umweltfaktoren. Eine verbreitete Strategie zur Abwehr von Raubtieren ist der so genannte Aposematismus. Dabei handelt es sich um eine Kopplung von Warnsignalen (beispielsweise optischen) mit sekundären (z. B. chemischen) Abwehrmechanismen zur Abschreckung.

Der Europäische Feuersalamander (Salamandra salamandra) ist eine solche aposematische Amphibie. „Ihre ausgeprägte gelb-schwarze Warnfärbung sowie Hautgifte schützen sie vor Fressfeinden, wobei der Gelbanteil auf ihrem Rücken negativ mit Fressversuchen korreliert. Je gelber sie sind, desto besser sind sie also geschützt“, erklärt Carolin Dittrich, eine der Hauptautorinnen diese Studie.

Effektiver Schutz durch nicht bewirtschaftete Waldgebiete

Ein wichtiger Lebensraum des Feuersalamanders ist der Biosphärenpark Wienerwald, eine Waldregion, in der sowohl Schutzgebiete als auch Gebiete mit Waldbewirtschaftung zu finden sind. In diesem natürlichen Habitat verglichen die Forscher:innen die Prädationsraten der Feuersalamander. Die dazu verwendeten Salamandermodelle aus Knetmasse hatten zwar die gleiche Menge an gelber Rückenfärbung, unterschieden sich jedoch darin, dass ihre Gelbfärbung entweder über viele kleine oder wenige große Markierungen verteilt war und sie entweder in geschützten oder bewirtschafteten Zonen platziert wurden. „Wir beobachteten keine Unterschiede aufgrund der Größe der Markierungen, da alle Modelle ähnlich oft angegriffen wurden. Allerdings waren die Angriffe durch Vögel in bewirtschafteten Waldgebieten häufiger als in geschützten Gebieten,“ so Bibiana Rojas (KLIVV) zu den Ergebnissen.

Komplexität der Waldstruktur und Baumvielfalt machen den Unterschied

Die Hauptunterschiede zwischen diesen Waldzonen betrafen die Baumvielfalt. „Wir vermuten, dass die Waldstruktur und -komplexität zu Unterschieden in der Häufigkeit oder der Zusammensetzung der Raubtiergemeinschaften führen kann, was wiederum die Angriffsraten beeinflussen könnte“, erklärt Rojas. Die Studienautorin betont deshalb die Bedeutung von Schutzgebieten als potenzielle Zufluchtsorte für Feuersalamander und sieht einen großen Bedarf für weitere Forschungsarbeiten, „speziell, um die Auswirkungen von Unterschieden in der Zusammensetzung von Raubtiergemeinschaften auf das Prädationsrisiko in verschiedenen Waldgebieten zu untersuchen. Außerdem verdeutlicht unsere Studie die komplizierten Beziehungen zwischen evolutionären Strategien, ökologischen Interaktionen und menschlicher Landnutzung. Und sie unterstreicht die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes für die Waldbewirtschaftung, der das komplexe Gleichgewicht natürlicher Ökosysteme berücksichtigt.“


Der Artikel „Habitat alteration impacts predation risk in an aposematic amphibian“ von Doriane Hagnier, Carolin Dittrich, Myrna Van den Bos und Bibiana Rojas wurde im „Journal of Zoology“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

03-07-2025

Jenseits von nett und gemein: Hunde behandeln uns alle gleich

Eine aktuelle Studie des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) an der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte, ob Hunde das soziale Verhalten von Menschen beurteilen. Mithilfe eines kontrollierten Fütterungsexperiments prüften die Forscher:innen, ob Hunde unterschiedlich auf „nettes“ oder „gemeines“ Verhalten von Menschen gegenüber ihnen selbst oder einem anderen Hund reagieren und ob das Alter der Hunde dabei eine Rolle spielt. Laut den Forscher:innen gibt es keine Hinweise darauf, dass Hunde solche Unterscheidungen treffen.

Einige Tierarten, wie Schimpansen, können sich durch direkte Interaktionen oder durch das Beobachten von Interaktionen zwischen Menschen und Anderen einen Eindruck von Menschen verschaffen – ein Phänomen, das als „Eavesdropping“ bekannt ist. Aufgrund ihrer engen kooperativen Beziehung zu Menschen stehen Hunde (Canis lupus familiaris) im Fokus zahlreicher Studien, die untersuchen, ob sie Menschen sozial bewerten können. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch uneinheitlich, da Studien in unterschiedliche Richtungen weisen.

Bilden sich Hunde ein Urteil über Menschen?

Um zu erforschen, ob sich diese potenzielle Fähigkeit im Laufe des Lebens eines Hundes (Ontogenese) entwickelt, untersuchten die Forscher:innen, ob Hunde unterschiedlichen Alters – junge, erwachsene und ältere Hunde – Menschen beurteilen können, da ältere Hunde mehr Lebenserfahrung mit Menschen haben. Die Hunde wurden getestet, nachdem sie entweder beobachtet hatten, wie Menschen mit einem Artgenossen (einem anderen Hund) interagierten, oder nachdem sie selbst direkt mit den Menschen in einer Fütterungssituation interagierten.

40 Haushunde nahmen an dem Experiment teil. In der Phase des Eavesdroppings beobachteten die Hunde, wie zwei Menschen mit einem Hundedemonstrator interagierten – ein Mensch war nett und fütterte den Hund, während der andere gemein war und das Futter vorenthielt. In der Phase der direkten Erfahrung interagierten die Hunde selbst mit beiden Menschen.

Hoi-Lam Jim vom KLIVV, Erstautorin der Studie, erklärt den Ablauf des Experiments: „Wir analysierten die erste Wahl der Hunde und die Zeit, die sie mit affiliativem Verhalten (z. B. Nähe, Hochspringen) gegenüber jedem Partner verbrachten. Die Ergebnisse zeigten, dass Hunde aller Altersgruppen den netten Partner nicht signifikant mehr bevorzugten als den gemeinen Partner. Ihr Verhalten lag auch nicht über dem Zufallsniveau, weder nach der Beobachtung der Interaktionen noch nach der direkten Erfahrung.“

Keine Hinweise auf Urteilsbildung bei Haushunden, unabhängig vom Alter

Laut den Forscher:inen stützt die Studie nicht die Annahme, dass Haushunde in der Lage sind, sich ein Urteil über Menschen zu bilden, unabhängig von ihrem Alter. „Diese Ergebnisse tragen zur wachsenden Literatur bei, die darauf hindeutet, dass die soziale Bewertung für Tiere eine Herausforderung darstellt“, betont die Letztautorin Sarah Marshall-Pescini vom KLIVV. „Um besser zu verstehen, wie und ob die Ontogenese die soziokognitiven Fähigkeiten von Hunden beeinflusst, sollte zukünftige Forschung systematisch Hunde aus unterschiedlichen Populationen (z. B. freilebende Hunde), Altersgruppen und Lebenserfahrungen (z. B. Hunde mit spezieller Ausbildung wie Polizei- oder Assistenzhunde) vergleichen. Darüber hinaus unterstreicht unsere Studie die Bedeutung der Verfeinerung methodischer Ansätze, da es möglicherweise Einschränkungen in den aktuellen experimentellen Designs gibt, die Hunde daran hindern, diese Fähigkeit zu zeigen“, fügt Marshall-Pescini hinzu.

 

Der Artikel „Do dogs form reputations of humans? No effect of age after indirect and direct experience in a food-giving situation“ von Hoi-Lam Jim, Kadisha Belfiore, Eva B. Martinelli, Mayte Martínez, Friederike Range und Sarah Marshall-Pescini wurde in "Animal Cognition“ veröffentlicht.


Wissenschaftlicher Artikel

02-07-2025

Inzucht verändert Sexualmerkmale von Hausmäusen

Eine aktuelle Studie des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte anhand von wild gefangenen männlichen Hausmäusen (Mus musculus musculus) zwei gängige Hypothesen zu primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Dabei fanden die Forscher:innen heraus, dass Inzucht die Ausprägung von primären und sekundären sexuellen Merkmalen beeinflusst. Laut den Wissenschafter:innen ist das der erste Nachweis, dass sowohl die Balzgesänge als auch die Spermienqualität der Hausmäuse durch Inzucht beeinflusst werden. Entgegen ihren Erwartungen waren diese sexuellen Merkmale jedoch weder positiv noch negativ korreliert, was bedeutet, dass es keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen den sexuellen Merkmalen gab.

Zwei Geschlechtsmerkmals-Hypothesen im Test

Die Fruchtbarkeitsindikator-Hypothese (Fertility Indicator Hypothesis) besagt, dass die Ausprägung der sekundären (prä-kopulatorischen) Geschlechtsmerkmale wie Balzverhalten oder -gesänge, verlässliche Indikatoren für die Spermienmerkmale (primäre bzw. post-kopulatorische Merkmale) der Männchen liefert und positive Korrelationen zwischen diesen prä- und post-kopulatorischen Merkmalen vorhersagt. Demgegenüber behauptet die Kompromiss-Hypothese (Sexual Allocation Tradeoff Hypothesis), dass Männchen Kompromisse zwischen Investitionen in primäre und sekundäre Sexualmerkmale eingehen. Ob Männchen mit solchen Kompromissen konfrontiert sind, kann allerdings von ihrer Qualität oder Kondition abhängen. „Wenn die sexuellen Merkmale der Männchen konditionsabhängig sind, und Männchen in guter Kondition dadurch besser in der Lage sind, sowohl in prä- als auch in post-kopulatorische Merkmale zu investieren als Männchen in geringer Kondition, so sind beide Hypothesen möglich“, so der Studien-Co-Autor Dustin J. Penn.

Bereits zwei Generationen Inzucht verändern die Qualität der Spermien und das Balzverhalten

Um diese Hypothesen zu prüfen, manipulierten die Forscher:innen daher die genetische Qualität von wild gefangenen männlichen Hausmäusen durch experimentelle Inzucht und testeten, ob die Inzucht primäre oder sekundäre sexuelle Merkmale beeinflusst. „Wir zeichneten das Balzverhalten und die Lautäußerungen der Männchen während des Kontakts mit Weibchen auf und maßen die Fortpflanzungsorgane der Männchen sowie die Spermienqualität. Darüber hinaus analysierten wir die Expression von vier mit der Spermatogenese verbundenen Genen. Anschließend testeten wir, ob prä- und post-kopulatorische Merkmale korrelieren“, berichtet Studien-Erstautorin Doris Nicolakis. Die Wissenschafter:innen fanden zwar keinen Unterschied in der Anzahl der Balzrufe, allerdings veränderte die Inzucht das Stimmrepertoire und reduzierte andere Balzverhaltensweisen männlicher Hausmäuse. „Inzucht wirkte sich zudem negativ auf die Hodenmasse sowie die Spermienmenge und -qualität aus“, so Nicolakis.

Allerdings fanden die Wissenschafter:innen keine Hinweise, die eine der beiden getesteten Hypothesen – Fruchtbarkeitsindikator (Fertility Indicator Hypothesis) oder Kompromiss-Hypothese (Sexual Allocation Tradeoff Hypothesis) – stützen. Dazu Studien-Letztautorin Sarah M. Zala: „Wir sahen keine konsistenten Korrelationen zwischen prä- und post-kopulatorischen Merkmalen, weder positiv noch negativ, unabhängig von der Inzucht.“ Die Autoren erklärten jedoch, warum Studien in freier Wildbahn oder unter natürlichen Bedingungen erforderlich sind, da die erwarteten Korrelationen möglicherweise im Labor nicht zum Vorschein kommen.


Der Artikel „Pre- and post-copulatory traits are affected by experimental inbreeding, but they are not correlated“ von Doris Nicolakis, Maria Adelaide Marconi, Kerstin E. Auer, Dustin J. Penn und Sarah M. Zala wurde in „BMC Biology“ veröffentlicht.


Wissenschaftlicher Artikel

25-06-2025

Internationaler Workshop erforscht ehrliche Kommunikation über Arten hinweg

Vom 22. bis 25. April 2025 veranstaltete das Lorentz Center in Leiden (Niederlande) einen interdisziplinären Workshop mit dem Titel „Honest Signalling and Communication: From Microbes to Humans“. Die Veranstaltung brachte Expert*innen aus den Bereichen Biologie, Soziologie, Anthropologie und Wirtschaft zusammen, um die Mechanismen und die Entwicklung ehrlicher Kommunikation bei verschiedenen Lebensformen zu untersuchen.

Der Workshop befasste sich mit den grundlegenden Fragen, warum und wie ehrliche Kommunikation trotz vorherrschender Interessenkonflikte und Täuschungsmöglichkeiten selbst bei Organismen ohne Kognition fortbesteht. Die Teilnehmer*innen erörterten die Grenzen traditioneller Theorien wie des Handicap-Prinzips und untersuchten alternative Modelle, die ehrliche Signale durch konditionsabhängige Abwägungen und evolutionäre Zwänge erklären.

Sarah Zala vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien war Teil des wissenschaftlichen Organisationsteams, zu dem auch Szabolcs Számadó (HUN-REN Zentrum für Sozialwissenschaften), István Zachar (HUN-REN Zentrum für ökologische Forschung), Károly Takács (Universität Linköping) und Bianca Beersma (VU Universität Amsterdam) gehörten.

Ein Hauptvortrag wurde von Dustin Penn (Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung, Vetmed) mit dem Titel „Das Ende des Handicap-Prinzips und alternative Erklärungen für ehrliche Signale und Täuschung“ gehalten, in dem er die Vorstellung widerlegte, dass Tiere ehrliche Signale - wie das Zeigen von leuchtenden Farben oder lauten Rufen - geben, weil diese Signale kostspielig sind, eine Idee, die als Handicap-Prinzip bekannt ist. Er argumentierte, dass diese Signale nicht deshalb ehrlich sind, weil sie teuer sind, sondern aufgrund von Kompromissen: Ehrlichkeit ist für den Signalgeber oft von Vorteil, während Lügen negative Auswirkungen haben können. Der Vortrag zeigte auf, wie frühere Modelle falsch interpretiert werden konnten, und stellte neuere Theorien vor, die sowohl ehrliche als auch betrügerische Kommunikation in der Natur besser erklären könnten.

 

Überraschende Entdeckung: Singvögel haben Hungerhormon Ghrelin verloren

Die endokrinen Systeme, die Hunger, Nahrungsaufnahme und Fettablagerung regulieren, sind bei Wirbeltieren gut erhalten geblieben. Bei Säugetieren reduziert das Hormon Leptin zum Beispiel den Appetit, und eine Störung dieses Rückkopplungssystems kann zu Stoffwechselkrankheiten und Fettleibigkeit führen. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher:innen, dass Vögel genau dieses Leptin-System im Laufe der Evolution verloren haben. Nun hat eine vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierte Studie unter der Leitung von Leonida Fusani vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Abteilung für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien (Erstautor Stefan Prost) herausgefunden, dass Singvögel mit Ghrelin auch das andere Haupthormon dieses Systems verloren haben. Eine Entdeckung, die auch für den Menschen spannend ist, insbesondere was Fettleibigkeit und Essstörungen angeht.

Die Forscher:innen konzentrierten sich in ihrer Studie auf Ghrelin. Dieses – auch als „Hungerhormon“ bekannte – Peptid wird vom Magen-Darm-Trakt ausgeschüttet, um z. B. die Nahrungsaufnahme und die Körpermasse bei Wirbeltieren zu regulieren. Studien an heimischen Tierarten haben gezeigt, dass Ghrelin bei Vögeln allerdings entgegengesetzte Wirkungen hat als bei Säugetieren, und zwar, indem es die Nahrungsaufnahme hemmt, anstatt sie zu fördern. Laut Leonida Fusani vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni legten zudem „einige Studien unseres Teams nahe, dass Ghrelin eine Schlüsselrolle bei der Steuerung des Zugverhaltens spielen könnte. Daher waren wir verblüfft, als wir im Genom der Gartengrasmücke, einem Sperlingsvogel, kein Ghrelin finden konnten.“ 

Hungerhormon Ghrelin bei Singvögeln gesucht – und nirgends gefunden

Das Forschungsteam führte aufgrund dieser Erkenntnis eine gründliche Suche nach Ghrelin durch, sowohl mit bioinformatischen Werkzeugen, indem es die Genome anderer Vogelarten durchsuchte, als auch mit biochemischen Werkzeugen, indem es Proben von Sperlingsvögeln analysierte und sie mit denen von Wachteln und Tauben verglich, die Ghrelin besitzen. „Wir waren sehr überrascht, als wir feststellten, dass die Passeri (Singvögel) – die größte Gruppe von Vögeln, die 60 % aller Vogelarten umfasst – auch dieses Hormon verloren haben“, so Fusani. Unter Verwendung aller verfügbaren Quellen und Untersuchungsmethoden konnten von den Wissenschafter:innen die Gene, die für Ghrelin kodieren, in der DNA keines einzigen Singvogels gefunden werden.

Wegweisende Arbeit zur Vogelphysiologie mit wichtigen Erkenntnissen für den Menschen

Laut Fusani sind diese Studienergebnisse ein Durchbruch in der Erforschung der Vogelphysiologie und eröffnen der biomedizinischen Forschung wichtige neue Wege: „Sperlingsvögel sind insofern einzigartig, als sie ihr Körpergewicht um 100 % erhöhen, indem sie vor dem Vogelzug enorme Mengen an Fett ansammeln, aber nach dem Ende ihrer langen Reisen innerhalb weniger Tage wieder auf ihr Normalgewicht zurückkehren“, erklärt Fusani. Der Verlust von Leptin und Ghrelin scheint laut Fusani mit dieser außergewöhnlichen Plastizität zusammenzuhängen.

Dieses neue Wissen könnte auch in einem weiteren Kontext von Vorteil sein: „Besser zu verstehen, wie Vögel es schaffen, ihr Körperfett zu kontrollieren, könnte für den Menschen sehr nützlich sein, um häufige Gesundheitsprobleme wie Fettleibigkeit und Essstörungen anzugehen“, betont Fusani.

Der Artikel „The unexpected loss of the ‚hunger hormone‘ ghrelin in true passerines: a game changer in migration physiology“ von Stefan Prost, Jean P. Elbers, Julia Slezacek, Alba Hykollari, Silvia Fuselli, Steve Smith und Leonida Fusani wurde in „Royal Society Open Science“ veröffentlicht.

 

Wissenschaftlicher Artikel


 

Jubiläum: 10. Beringer:innen-Tagung in Grünau

Anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens lud die Beringungszentrale der Österreichischen Vogelwarte zur Jubiläumsausgabe der Beringer:innentagung. Von 7. bis 9. März 2025 kamen rund 55 Teilnehmer:innen an der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) der Universität Wien in Grünau zusammen.

Ein Meilenstein in der Gründungsphase der Österreichischen Vogelwarte der Vetmeduni im Jahr 2015 war die Aufnahme Österreichs als Mitglied in die Europäische Organisation für wissenschaftliche Vogelberingung EURING. Seither koordiniert die Beringungszentrale der Österreichischen Vogelwarte der Vetmeduni die Beringung von wildlebenden Vögeln auf nationaler Ebene und dokumentiert Fundmeldungen durch internationalen Datenaustausch.

Vogelberingung

Die Vogelberingung ist eine international anerkannte Standardmethode, um u. a. die Bestandsüberwachung heimischer Wildvogelarten gewährleisten zu können. Die Kennzeichnung zur individuellen Identifikation von freilebenden Vögeln mittels Aluminiumringen oder Farbringen (Beringung) ist seit mehr als 120 Jahren ein wichtiger methodischer Bestandteil der ornithologischen Feldforschung und hat auch am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) jahrzehntelange Tradition.

Standardmäßig werden bei der Vogelberingung Art, Geschlecht, Alter, biometrische Maße und Konditionsindices erfasst. Durch die individuelle Kennzeichnung und Vermessung von Brut- und Zugvögeln über Jahre hinweg lassen sich Veränderungen innerhalb verschiedener Vogelpopulationen aufzeigen. So können in weiterer Folge wichtige Rückschlüsse auf äußere Einflüsse, wie etwa den Klimawandel, gezogen werden.

Jubiläumstagung 2025

Im Rahmen der 10. Beringer:innentagung trafen sich die Teilnehmer:innen an der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal, um sich über Projekte, neueste Entwicklungen zur Vogelberingung und Zukunftsperspektiven auszutauschen. Neben spannenden Vorträgen bot das Tagungsprogramm auch eine Exkursion zum Almsee.

„Wir freuen uns ganz besonders, dass so viele Beringer:innen und Beringungsinteressierte aus ganz Österreich unserer Einladung zur 10. Tagung gefolgt sind. Die Teilnehmer:innen haben mit ihren spannenden Vorträgen und ihren konstruktiven Beiträgen unsere Jubiläums-Veranstaltung zu einem großen Erfolg gemacht,“ sagt Wolfgang Vogl, Manager der Österreichischen Beringungszentrale.

„Unser großer Dank gilt allen Vortragenden, den zahlreichen Teilnehmer:innen und natürlich dem gesamten Team der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Verhaltens- und Kognitionsbiologie in Grünau, das uns so herzlich beherbergt und tatkräftig unterstützt hat. Die gemeinsame Exkursion zum Almsee bei traumhaftem Wetter und das eigens für die Tagung organisierte Pub Quiz waren zusätzliche tolle Highlights!“ so Anne Hloch, Technische Assistentin der Österreichischen Beringungszentrale.

Amazonischer Giftfrosch: Populationsunterschiede ohne Einfluss auf Habitatwahl

Das Verständnis intraspezifischer Variationen in der Habitatwahl polytypischer Arten, bei denen unterschiedliche Varianten in verschiedenen Populationen auftreten, kann das Wissen über populationsspezifischen Selektionsdruck verbessern. Außerdem kann dieses Wissen im Zusammenhang mit Erhaltungsmaßnahmen hilfreiche Informationen liefern. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Vetmeduni untersuchte nun die Unterschiede bei der Habitatwahl von sechs Populationen des Färber-Giftfroschs (Dendrobates tinctorius).

Der Färber-Giftfrosch ist eine aposematische („warnfärbende“) Art, in der Individuen von verschiedenen Populationen sehr unterschiedlich aussehen (Färbung, Körpergröße, usw.). Für ihre Studie erfassten die Forscher:innen in jeder Population die Fundorte und den zugehörigen Lebensraum der Frösche und bewerteten systematisch das verfügbare Habitat. Dazu Studien-Letztautorin Bibiana Rojas vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni: „Wir stellten die Hypothese auf, dass sich die Habitatwahl zwischen Populationen mit unterschiedlichen Varianten unterscheidet. Dabei gingen wir davon aus, dass größere Frösche weniger auf feuchtespeichernde Habitatstruktur, wie umgestürzte Bäume und Totholz, angewiesen sind. Zweitens vermuteten wir Unterschiede zwischen vom Menschen gestörten und weitgehend unberührten Gebieten, wobei wir annahmen, dass Frösche in gestörten Gebieten stärker auf Strukturvielfalt und Gewässer angewiesen sind. Wir haben auch Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen vorhergesagt, mit stärkeren Unterschieden bei der Habitatwahl in Populationen mit ausgeprägterem sexuellen Größendimorphismus.“

Forscher:innen identifizieren starke allgemeine Muster der Habitatwahl

Entgegen diesen Annahmen fand das Forschungsteam nur geringe Unterschiede in der Habitatwahl zwischen den Populationen oder zwischen menschlich beeinflussten und unberührten Gebieten. Generell waren aber Frösche aller Populationen auf umgestürzte Bäume, Totholz und kleine Wasserquellen angewiesen. Darüber hinaus tendierten Männchen stärker zur Nähe von Wasser (zu dem sie frisch geschlüpfte Kaulquappen transportieren) und Weibchen zur Nähe von Totholz, in dem sie oft ihre Eier ablegen.

Wichtige neue Informationen für zukünftige Schutzmaßnahmen

Zusammengenommen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Habitatwahl bei aposematischen Arten über die Populationen hinweg konstant sein könnte, was möglicherweise auf eine geringere Anfälligkeit für lokale Risiken durch Fressfeinde zurückzuführen ist. Studien-Co-Autorin Lia Schlippe Justicia vom KLIVV betont die Bedeutung der Forschungsarbeit: „Unsere Studie ist die erste, die die Habitatwahl von D. tinctorius in einem großen Teil seines Verbreitungsgebiets, einschließlich vom Menschen beeinflusster Standorte, untersucht. Da es sich um eine polytypische Art handelt (Individuen verschiedener Population haben unterschiedliches Aussehen), ist es für eine effektive Schutzplanung und Prioritätensetzung von entscheidender Bedeutung zu verstehen, ob verschiedene Populationsvarianten unterschiedliche Habitatanforderungen haben. Unsere Ergebnisse liefern wichtige Grundlagendaten zu den Lebensraumanforderungen dieser faszinierenden Art, welche in Zukunft für effiziente Schutzmaßnahmen von Bedeutung sein können.“

Der Artikel „Phenotypic divergence across populations does not affect habitat selection in an Amazonian poison frog“ von Martin Mayer, Lia Schlippe Justicia und Bibiana Rojas wurde in „Global Ecology and Conservation“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

19.02.2025

Kampfläufer: Ein einziges Gen im Supergen steuert männliche Phänotypen

Der Kampfläufer (Calidris pugnax) ist ein Zugvogel, der in Sümpfen und Feuchtwiesen in Nordeuropa und Asien brütet und in großen Schwärmen in der ganzen Welt überwintert. Bei Kampfläufern gibt es drei männliche Phänotypen – auch „Morphen“ genannt –, die genetisch bedingt sind und sich in ihrem Sexualverhalten unterscheiden. Die residenten Männchen - auch "Independent" genannt – sind territorial und balzen, die „Satelliten“ sind nicht aggressiv, nehmen aber an der Balz teil, während die „Faeders“ wie Weibchen aussehen und versuchen, sich bei jeder Gelegenheit heimlich zu paaren. Eine aktuelle in „Science“ veröffentlichte internationale Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat nun herausgefunden, dass ein Gen, das den Stoffwechsel des wichtigsten Androgens, des Testosterons, reguliert, für die Unterschiede zwischen den männlichen Phänotypen dieser Schnepfenart verantwortlich ist.

Androgene sind pleiotrop – das bedeutet, dass sie mehrere physiologische Prozesse steuern - und spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Veränderung des sexuellen Phänotyps. In ihrer Studie konnten die Wissenschafter:innen nun zeigen, dass die Unterschiede in den zirkulierenden Androgenen der drei männlichen Paarungsmorphen bei Kampfläufern mit dem Enzym 17-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 2 (HSD17B2) zusammenhängen, die von einem Gen innerhalb des Supergens kodiert wird, das die Morphen bestimmt.

Ein einziges Gen führt zu zahlreichen Variationen

„Eine Kombination aus evolutionären Veränderungen in der Regulierung, Sequenz und Struktur eines einzigen Gens führt zu endokrinen Variationen, die den reproduktiven Phänotypen zugrunde liegen“, betont Studien-Coautor Leonida Fusani, Leiter des Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni. Insgesamt deuten laut Fusani die Ergebnisse darauf hin, dass eine Kombination von Veränderungen in der Regulierung und der kodierenden Sequenz des HSD17B2-Gens zu einer erhöhten Testosteronumwandlung in den beiden nicht-aggressiven Morphen führt. Die durch das Supergen verursachte Unterdrückung der Rekombination beschleunigt weiters vermutlich die Evolution dieser beiden abgeleiteten Morphen.

Eindeutiger Zusammenhang: Expression von HSD17B2 und Testosteronspiegel

Bei Männern mit niedrigem Testosteronspiegel war die Expression von HSD17B2 im Blut und in Gehirnbereichen, die mit sozialem Verhalten und der Testosteronproduktion in Zusammenhang stehen, höher als bei Männern mit hohem Testosteronspiegel. Abgeleitete HSD17B2-Isoenzyme, die bei Männchen mit hohem Testosteronspiegel fehlen, aber bei Männchen mit niedrigem Testosteronspiegel bevorzugt exprimiert werden, wandelten zudem Testosteron schneller in Androstendion – ein Steroid, das ein schwächeres Androgen als Testosteron ist – um als das ursprüngliche Isoenzym.

Der Artikel „A single gene orchestrates androgen variation underlying male mating morphs in ruffs“ von Jasmine L. Loveland, Leonida Fusani, Clemens Küpper et al. wurde in „Science“ veröffentlicht.

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17.02.2025

Balzgesänge von wilden Hausmäusen: Sie sind überraschend komplex und sagen den Paarungserfolg der Männchen voraus

Während der Balz senden Hausmäuse (Mus musculus) Ultraschallvokalisationen (USVs) aus, die jenseits des menschlichen Hörbereichs liegen (>20 kHz). Männchen produzieren etwa 90 % der USVs während gegengeschlechtlicher Interaktionen und ihre Vokalisationen zeigen Ähnlichkeiten zu Vogelgesängen. Forscher:innen des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni untersuchten kürzlich die verschiedenen Arten von Rufen, die von wilden Hausmäusen während der unterschiedlichen Stadien der Balz ausgesendet werden. Zudem testeten die Wissenschafter:innen, ob bestimmte Rufe den Paarungserfolg der Männchen beeinflussen.

Die Forscher:innen zeichneten die Rufe von Mäusepaaren während verschiedener Balz- und Paarungsphasen auf und analysierten die Aufnahmen anschließend mit Hilfe von Spektrogrammen, um die einzelnen Vokalisationstypen zu klassifizieren und die Emissionsraten im Zeitverlauf zu quantifizieren. Sie klassifizierten über 53.000 Rufe, von denen 90 % USVs waren. USVs können in einfachere und komplexere Typen eingeteilt werden. Die Nagetiere gaben während jeder zehnminütigen Aufnahme 0 bis 2.000 USVs ab.

Mäusevokalisationen werden während des Balz- und Paarungsverhaltens immer komplexer

Während des Balz- und Paarungsverhaltens zeigten die Mäuse bemerkenswert komplexe und dynamische Veränderungen in ihrer Vokalkomposition und ihrem Repertoire. Die folgende Illustration zeigt vier Hauptphasen des Balz- und Paarungsverhaltens und Spektrogramme der typischerweise geäußerten Rufe (während zwei Sekunden jeder Phase): (1) Die Mäuse stießen zunächst nur wenige Rufe aus. (2) Nach der Kontaktaufnahme und dem gegenseitigen Beschnuppern erhöhten sie die Emission aller einfachen USV-Typen. (3) Viele Stunden später, als die Männchen begannen, erste Paarungsveruche  und andere sexuelle Verhaltensweisen an den Tag zu legen, verstärkten sie die Aussendung aller komplexen USVs, die Frequenzsprünge und harmonische Elemente enthalten. (4) Nachdem die Männchen ejakuliert hatten, hörten sie kurzzeitig auf zu singen, nahmen dann aber ihre Rufe wieder auf, wobei sie allerdings in dieser Phase nur mit einfachen USV-Typen riefen.

Einige Vokalisationen und ihr Timing korrelierten mit dem Kopulationserfolg der Männchen

Während der späten Balz waren die Vokalisationen der Mäuse eng mit dem Paarungsverhalten der Männchen abgestimmt und erreichten ihren Höhepunkt in Emissionsrate und Komplexität kurz bevor sich die Männchen dem Weibchen näherten und versuchten, es zu besteigen. „Die USV-Emissionsraten nahmen zu, je mehr Sexualverhalten die Männchen an den Tag legten, und zwar insbesondere bei den Mäusen, die erfolgreich kopulierten (mit Ejakulation), was darauf hindeutet, dass die Wirkung der USV auf den Paarungserfolg der Männchen vom Sexualverhalten der Männchen abhängt und umgekehrt“, sagt Studienletztautor Dustin Penn vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni. Ebenso begannen in jenen Fällen die Lautfolgen früher und enthielten komplexere Silbentypen, in denen die Paarungsversuche der Männchen ineiner Kopulation endeten. Die Expert:innen detektierten auch Unterschiede in den Vokalisationen während der Anfangsphase des Balzverhaltens -  das heißt viele Stunden bevor die Mäuse überhaupt mit sexuellen Interaktionen begannen -  zwischen den Paaren, bei denen es später zu einer erfolgreichen Kopulation mit Ejakulation kam und jenen, die sich nicht verpaarten.

Breitbandvokalisationen spielten im Kontext des Paarungsverhaltens und des Paarungserfolgs ebenso eine Rolle

Etwa zehn Prozent der von den Mäusen ausgestoßenen Rufe waren Breitbandvokalisationen (BBVs), die in der Fachliteratur gemeinhin als „squeaks“ bekannt sind (diese Rufe enthalten viele harmonische Resonanzen, spielen sich in niedrigeren Frequenzbereichen ab und sind daher für menschliche Ohren teilweise hörbar; siehe auch die markante, niedrigfrequentere Vokalisation in Phase 3 der obigen Abbildung). Es wird angenommen, dass BBVs hauptsächlich oder ausschließlich von Weibchen ausgestoßen werden, und dass sie eventuell eine Funktion für die Abwehr von unerwünschten sexuellen Annäherungsversuchen von Männchen spielen. „In unserem Versuch stellten wir fest, dass sich die Anzahl der BBVs steigerte,  sobald die Mäusepärchen direkten körperlichen Kontakt eingingen und ab dem Zeitpunkt, zu dem die Männchen vermehrt sexuelle Interaktionen zeigten, erhöhte sich insbesondere die Anzahl jener BBVs die eine nicht lineare Struktur aufwiesen. Allerdings fanden wir keine Hinweise darauf, dass die BBV-Emissionen zu einer Verringerung der Paarungsversuche der Männchen führten“, so Dustin Penn. Stattdessen emittierten kopulierende Paare mehr BBVs mit einfachen linearen Merkmalen im Vergleich zu den Mäusen, die sich nicht verpaarten. Die Mäuse änderten auch das Timing  der BBVs kurz vor einem Paarungsversuch: Die Emission stieg zunächst in den Sekunden vor einem Paarungsversuch an,  um dann plötzlich eine Sekunde vor dem tatsächlichen Besteigen wieder deutlich abzufallen. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die BBVs der Weibchen auch die Paarung beeinflussen und dass das Timing der Emission vor dem Paarungsversuch der Männchen (mit einem Anstieg und dann einem Rückgang) die sexuelle Empfänglichkeit des Weibchens signalisieren kann“, erklärt Dustin Penn.

Balzduett: USVs und BBVs werden synchron abgegeben

Die Forscher:innen fanden zudem heraus, dass kurz vor dem Versuch eines Männchens, ein Weibchen zu besteigen, die beiden Arten von Rufen –  männliche USVs und weibliche BBVs – zeitlich stark synchronisiert geäußert wurden. Eine solche Synchronisation der Balzgesänge, was als „Duettieren“ bezeichnet wird, ist bei einigen Singvögeln und Primaten zu beobachten. Die Kommunikationsfunktionen des Balzduetts be Mäusen sind noch unklar, und laut den Wissenschafter:innen gibt es keine Hinweise darauf, dass die stimmliche Synchronität den Paarungserfolg der Mäuse beeinflusst.

Fazit: Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Balzvokalisationen von Hausmäusen weitaus komplexer und dynamischer sind als bisher angenommen und auch Gesangsduette umfassen. Sie liefern den ersten Beweis dafür, dass bestimmte Arten von Vokalisationen den Paarungserfolg von Männchen beeinflussen und dass einige Typen von USVs, die während der anfänglichen Balz ausgestoßen werden, vorhersagen, ob ein Paar erfolgreich kopulieren wird oder nicht. Diese Ergebnisse sind von allgemeinem Interesse für Forscher:innen, die sich mit sexueller Selektion und tierischer Kommunikation befassen, sowie für Neurowissenschafter:innen, die ergründen wollen, wie komplexe Vokalisationen erzeugt werden und das Paarungsverhalten beeinflussen.

Der Artikel "Courtship vocalizations of wild house mice show highly dynamic changes and correlate with male copulatory success" von T. Klaus, B. Wernisch, S. M. Zala und D. J. Penn wurde in Animal Behaviour veröffentlicht. 

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