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Neue Analyse zeigt: Winterschlaf ist nicht gleich Winterschlaf

Vergleicht man den Winterschlaf verschiedener Tierarten, zeigen sich zwei unterschiedliche Muster. Eine kürzlich veröffentlichte australisch-österreichische Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte, wie sich dieser Unterschied auf das Langzeitüberleben der Tiere auswirkt. Die Forscher kommen zum Schluss, dass Winterschlaf nicht gleich Winterschlaf ist und sich dieser evolutionär vermutlich aus unterschiedlichen Gründen entwickelt hat.

Der Winterschlaf ist bei Säugetieren und Vögeln eine hochwirksame Methode, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Das Ausmaß der erzielten Energieeinsparung und damit des langfristigen Überlebens scheint jedoch nicht bei allen Arten gleich zu sein. Überwinterer, die einen über viele Tage reichenden Winterschlaf halten, sind demnach Heterothermen – das sind Arten, die ihren Winterschlaf auf Tagesfrist beschränken (Tagestorpor) – im Vorteil.

Tests bei unterschiedlichen Temperaturen

Eine gemeinsame Studie von Vetmeduni und der University of New England (Armidale, New South Wales, Australien) testete deshalb nun dieses wissenschaftliche Konzept. Die Forscher analysierten, wie das Langzeitüberleben mit dem gespeicherten Körperfett – das für die Überwindung widriger Perioden entscheidend ist – und dem Muster des Winterschlafs in Zusammenhang steht. Sie untersuchten dazu den Winterschlaf des Dickschwanz-Schlafbeutlers (Cercartetus nanus), einem kleinen, mausgroßen Beuteltier bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen. Die für den Winterschlaf typische Durchschnittstemperatur betrug im Test 7 °C, während die für den Tagestorpor typische bei 15 und 22 °C lag.

Deutliche Unterschiede der Winterschlafmuster und Überlebenszeit …

Die Dickschwanz-Schlafbeutler hielten bei allen Temperaturen Winterschlaf und überlebten ohne Nahrung durchschnittlich 310 Tage bei 7 °C, 195 Tage bei 15 °C und 127 Tage bei 22 °C. Bei 7 und 15 °C stieg die Dauer der reduzierten Temperatur (duration of torpor bouts; TBD) von weniger als ein bis drei Tagen bzw. fünf bis 16 Tagen auf über zwei Monate, während bei 22 °C die TBD bei weniger als ein bis zwei Tagen blieb. Bei allen Temperaturen war der tägliche Energieverbrauch wesentlich niedriger und die TBD und die Überlebenszeiten der Beuteltiere viel länger (3 bis 12 Monate) als bei Heterothermen mit Tagestorpor (rund 10 Tage).

… weisen auf unterschiedliche ökologische Zwecke hin

Studien-Letztautor Thomas Ruf vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni zieht daraus den folgenden Schluss: „Solche ausgeprägten Unterschiede in den Torpormustern und Überlebenszeiten selbst unter ähnlichen thermischen Bedingungen liefern eine starke Unterstützung für das Konzept, dass der Winterschlaf bei Überwinterern und Heterothermen physiologisch unterschiedlich ist und sich für unterschiedliche ökologische Zwecke entwickelt hat.“

Der Artikel „Long‑term survival, temperature, and torpor patterns“ von Fritz Geiser und Thomas Ruf wurde in „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-31

Fortpflanzung beim Feldhasen trotz Niacin-Mangels

Niacin, früher auch als Vitamin B3 bekannt, ist bei Säugetieren am Stoffwechsel beteiligt, wirkt antioxydativ und ist wichtig für die Regeneration von Haut, Muskeln, Nerven und DNA. Eine aktuelle Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte, wie sich ein Mangel an Niacin bei Feldhasen auf die Reproduktionsfähigkeit auswirkt: Die Fortpflanzungsleistung nimmt keinen Schaden, allerdings zeigen sich deutlich negative Auswirkungen auf das Körpergewicht der Junghasen.

Große Maisflächen in Agrarlandschaften sind mit einer verminderten Fortpflanzungsleistung der Weibchen und einer beeinträchtigten Populationsentwicklung freilebender Feldhasen (Lepus europaeus) verbunden. Im Rahmen einer experimentellen Studie untersuchte deshalb ein Forschungsteam der Vetmeduni an in Gefangenschaft gehaltenen Feldhasen, ob diese Effekte auf eine Unterversorgung mit Niacin durch eine Mais-lastige Ernährung zurückzuführen sind.

Geringeres Körpergewicht bei Niacin-armer Nahrung

Im Rahmen der Studie wurden erwachsene weibliche Hasen wiederholt verpaart. Gefüttert wurden sie entweder mit einem Niacin-armen Pellet, das hauptsächlich aus Maispflanzenteilen bestand, oder mit dem gleichen Pellet, das mit Niacin angereichert war, um den physiologischen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Forscher:innen maßen die Auswirkungen der experimentellen Fütterung auf das Gewicht der Weibchen, die Fortpflanzungsleistung, das Wachstum und das Überleben der jungen Häschen. „Das Körpergewicht der Weibchen, die mit Niacin-reicher Nahrung gefüttert wurden, war signifikant höher und ihre Jungen nahmen deutlich schneller Gewicht zu“, so Studien-Erstautor Aldin Selimovic vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Kein signifikanter Unterschied beim Fortpflanzungserfolg

Allerdings fanden die Forscher:innen keinen signifikanten Unterschied zwischen einem Niacin-Mangel und einer mit Niacin angereicherten Kost in Bezug auf die Reproduktionsleistung von Weibchen und die Überlebensraten ihres Nachwuchses. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst eine Niacin-arme Ernährung den Fortpflanzungserfolg weiblicher Feldhasen nur geringfügig beeinflusst, vermutlich aufgrund einer ausreichenden Umwandlung von Tryptophan in Niacin oder einer zusätzlichen Versorgung mit Niacin durch Mikroorganismen im Blinddarm“, sagt Selimovic. „Die Effekte, welche wir bei der Gewichtsentwicklung von Junghasen in unserer Tierhaltung gefunden haben, könnten in freier Wildbahn – wo die Junghasen dem Wind, Regen und der Kälte ausgesetzt sind – viel stärker sein und das Überleben der Junghasen stark beeinflussen," so Selimovic weiter.

Lebensgefährlicher Niacin-Mangel beim Menschen

Nach der Ankunft von Christoph Columbus in Amerika wurde Mais als eine der ersten Nutzpflanzen nach Europa gebracht. Aufgrund der hohen Erträge verbreitete er sich rasch weltweit und wurde für viele Menschen zum Grundnahrungsmittel. Die darin gebundene Form der Nicotinsäure (Niacytin) kann vom menschlichen Körper allerdings nicht verwertet werden. Aufgrund einseitiger Ernährung trat deshalb früher häufig die Mangelerkrankung Pellagra auf, welche unbehandelt zum Tod führen kann.

 

Der Artikel „The effect of dietary niacin deficiency on reproduction of European brown hares: An experimental study“ von Aldin Selimovic, Mathilde L. Tissier, Gabrielle Stalder, Johanna Painer-Gigler, Anna Haw, Hanna Rauch und Walter Arnold wurde in „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-25

Neu sequenziertes Genom verbessert den Schutz des gefährdeten Gepards

Referenzgenome liefern wichtige Informationen, insbesondere für den Schutz bedrohter Arten. Einem unter der Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien stehenden internationalen Forschungsteam gelang es nun ein noch hochwertigeres Genom für den Geparden zu sequenzieren. Die neu gewonnenen Daten stellen einen Meilenstein dar und werden das Wissen und das Verständnis über den Geparden deutlich verbessern.

Der Gepard ist teilweise vom Aussterben bedroht. Um richtige Entscheidungen für seine Erhaltung zu treffen, werden genomische Analysen immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund wurden kürzlich Genomanalysen des Gepards basierend auf sogenannten Short-Read-Sequenzen veröffentlicht.

Tiefergehende Genomanalysen – wie Untersuchungen der Mutationslast und der genetischen Gesundheit – erfordern jedoch hochkontinuierliche Referenzgenome. Diese helfen beispielsweise, die evolutionäre Anpassungsfähigkeit und den Inzuchtstatus zu bewerten, und spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Managementmaßnahmen im Naturschutz.

Referenzgenom erlaubt Beantwortung wichtiger biologischer Fragen

Da ein solches Referenzgenom für den Gepard derzeit nicht verfügbar ist, haben die Forscher:innen nun ein Genom auf Chromosomenebene sequenziert und zusammengesetzt. „Das neue Referenzgenom VMU_Ajub_asm_v1.0 zeigt eine starke Verbesserung gegenüber den bisher zur Verfügung stehenden Genomen für den Geparden. Es ist das Erste, dass auf Sequenzen von langen DNA Molekülen, so genannten "long reads" basiert, wodurch es uns möglich war auch schwierige Bereiche des Genoms, besonders repetitive Regionen, zuzuzordnen und bisher bestehende Lücken zu füllen. Die verbessere Kontinuität des Genoms wird eine Vielzahl von Genomanalysen ermöglichen, die bisher so nicht möglich waren“, erklärt Studien-Erstautor Sven Winter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Laut den Forscher:innen bietet die neue Genomressource eine solide Grundlage, um wichtige biologische Fragen wie das Verständnis des Prozesses der natürlichen Selektion und Anpassung zu beantworten. Dazu Studien-Letztautorin Pamela Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni: „Hochkontinuierlich annotierte Genomanordnungen im Chromosomenmaßstab sind wertvolle Referenzen für evolutionäre oder konservierende Genomanalysen und ermöglichen eingehende Studien zur strukturellen Variation oder zur Diversität und Funktion bestimmter Gene wie z. B. Immunantwortgene. Genomassemblierungen von Nicht-Modellorganismen dieser Qualität sind derzeit jedoch noch selten.“

Schnellstes Landtier der Welt und vom Aussterben bedroht

Der Gepard (Acinonyx jubatus) ist eine große Raubkatze und gilt mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 105 km/h als das schnellste Landtier. Historisch bewohnte er offenes Grasland in ganz Afrika, auf der Arabischen Halbinsel und im Südwesten Asiens. Derzeit bewohnt er nur kleine Bruchteile seines früheren Verbreitungsgebiets, was zu kleinen und fragmentierten Populationen führt. Der Gepard als Art wird derzeit auf der Roten Liste bedrohter Arten der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als „gefährdet“ angesehen, wobei zwei Unterarten A. j. venaticus (Iran) und A. j. hecki (Nordwestafrika) als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft gelten.

 

Der Artikel „A chromosome-scale high-contiguity genome assembly of the cheetah (Acinonyx jubatus)“ von Sven Winter, René Meißner, Carola Greve, Alexander Ben Hamadou, Petr Horin, Stefan Prost und Pamela A. Burger wurde im „Journal of Heredity“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-16