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Community-Projekt StadtWildTiere erlaubt unbekannte Einblicke in die Welt von städtischen Wildtieren

Beginnend in Zürich (Schweiz) wurde das Projekt StadtWildTiere seither auf insgesamt 13 Städte in – einschließlich Wien und Berlin – Österreich, Deutschland und der Schweiz ausgeweitet. Auf einer gemeinsamen Online-Plattform werden Beobachtungen zufälliger Begegnungen mit Wildtieren in städtischer Nachbarschaft gesammelt. In Österreich kann über die Website stadtwildtiere.at gemeldet werden. Eine soeben veröffentlichte internationale Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte nun den Nutzen dieser länderübergreifenden Initiative.

StadtWildTiere sammelt Sichtungen von Wildtieren in Städten, um das Bewusstsein der Einwohner:innen für die biologische Vielfalt in städtischen Gebieten in ganz Mitteleuropa zu schärfen. Zudem dient die Sammlung von Daten als Grundlage für wissenschaftliche Analysen. Weiters sollen mit Hilfe des durch die Bürger:innen gesammelten Wissens die Natur und Biodiversität in städtischen Gebieten gefördert werden.

Klimawandel, Wechselwirkungen: Community-Projekt deckt Verborgenes erstmals auf

Die Stadtökologie ist noch ein junges Feld und städtische Wildtierpopulationen standen bisher nicht im Fokus von Studien. „StadtWildTiere ermöglicht es uns, bisher verborgene Muster und zeitliche Trends zu erkennen, z. B. im Rahmen der städtischen Verdichtung und des Wärmeinseleffekts, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel. Damit kann die Initiative auch als Sensor für die zukünftigen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Wildtieren dienen“, erklärt Studien-Coautorin Theresa Walter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni.

Wichtige Grundlagen für Entscheidungen auf politischer Ebene

Langfristig schlagen die Wissenschafter:innen vor, dass Projekte wie StadtWildTiere eine Basis für ein vergleichendes, internationales Monitoring schaffen sollten, um die bestehenden Wissenslücken über städtische Wildtierpopulationen zu schließen. Die daraus gewonnenen Daten weisen laut Studien-Coautor Richard Zink vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni weit über die Wissenschaft hinaus: „Dieses Wissen ist auch für politische Entscheidungsträger:innen und Wildtiermanager:innen von entscheidender Bedeutung, um die richtigen Strategien und Maßnahmen zu etablieren. Insbesondere betrifft das auch die Frage, wie sich die biologische Vielfalt in Städten wirksam verbessern lässt.“

Der Artikel „StadtWildTiere – added value and impact of transnational urban wildlife community science projects“ von Madeleine Geiger, Anouk Lisa Taucher, Sandra Gloor, Mirco Lauper, Sarah Kiefer, Sophia E. Kimmig, Janette Siebert, Theresa Walter, Richard Zink, Fabio Bontadina und Daniel Hegglin wurden in „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht.


Wissenschaftlicher Artikel

StadtWildTiere Österreich

Hirsche passen Physiologie der Muskeln an Jahreszeit an

Am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni ging man in einer aktuellen Studie der Frage nach, wie Rothirsche sich auf zellulärer Ebene auf den Winter vorbereiten. Im Fokus standen biochemische Kälteanpassungen in der Muskulatur und deren Steuerung. Die Studie wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Österreichs (FWF) finanziert und erbrachte bahnbrechende Erkenntnisse mit allgemeiner Bedeutung für Säugetiere.

In den Membranen von Muskelzellen befinden sich Schlüsselenzyme der Muskelfunktion. Wie alle biochemischen Vorgänge ist die Aktivität dieser Enzyme temperaturabhängig. Ein zu kalter Muskel ist deshalb nur eingeschränkt funktionstüchtig. Wie Rothirsche im Winter ausreichend bewegungsfähig bleiben, trotz niedrigerer Temperatur vor allem in äußeren Körperteilen, war die zentrale Fragestellung dieses Projekts.

Um saisonale zelluläre Veränderungen feststellen zu können, wurde den Tieren im Winter und im Sommer unter Narkose mittels Biopsie eine geringe Menge an Muskelgewebe entnommen. Im Labor bestimmten die Wissenschafter:innen anschließend die Fettsäurezusammensetzung der Zellmembranen und die Aktivität von Schlüsselenzymen. Mit den Ergebnissen gelang es grundlegende Zusammenhänge aufzuklären. Dazu der Projektleiter Walter Arnold: „Wir konnten feststellen, dass die Aktivität wichtiger Enzyme des Muskelstoffwechsels von der Konzentration bestimmten Fettsäuren in den Zellmembranen beeinflusst wird. Zusammen mit jahreszyklischen Veränderungen der Genexpressionen bestimmen die saisonalen Veränderungen der Fettsäureumgebung die maximal mögliche Aktivität membranständiger Enzyme.“

Die zweite Untersuchungsfrage war, wie die jahreszyklischen Veränderungen in Zellmembranen zustande kommen. Ein denkbarer Grund war eine unterschiedliche Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren mit der Nahrung, da diese von Säugetieren nicht synthetisiert werden können. Eine weitere Möglichkeit war die Steuerung durch die Tageslänge, deren Veränderung im Jahresverlauf wohlbekannte andere saisonale Reaktionen auslöst, wie den Wechsel vom Sommer- ins Winterfell. Beide Hypothesen wurden mit einem ausgeklügelten Experiment untersucht. Den Tieren wurde das ganze Jahr über Futter mit unterschiedlichen Konzentrationen essenzieller Fettsäuren verabreicht und die Wahrnehmung der Tageslänge wurde im letzten Versuchsjahr manipuliert. Das gelang mit der Verabreichung des Hormons Melatonin, dass natürlicherweise nur nachts und deshalb vermehrt im Winter ausgeschüttet wird. Die künstliche Erhöhung des Melatoninspiegels im Blut ab Juni führte bereits im August zur Wende in den Winterzustand, deutlich erkennbar am vorzeitigen Wechsel ins Winterfell und ebenso nachweisbar in den Muskelzellen. Die Zufuhr essenzieller Fettsäuren hatte dagegen so gut wie keinen Einfluss auf jahreszeitliche Veränderungen.

Fazit: Durch saisonale Anpassungen auf zellulärer Ebene ist es den Hirschen möglich, trotz der besonders in den Beinen niedrigeren Körpertemperatur ausreichende Muskelfunktion zu erhalten. Mit der durch geringere Wärmeproduktion erzielten Energieeinsparung überstehen sie Nahrungsknappheit und Kälte des Winters, ohne ihre Fluchtfähigkeit zu sehr zu beeinträchtigen.

Diese Studie bietet faszinierende Einblicke in die erstaunlichen Anpassungsmechanismen von Hirschen und legt nahe, dass ähnliche Phänomene auch bei anderen Säugetieren vorhanden sind, einschließlich des Menschen. Die Erkenntnisse haben somit weitreichende Auswirkungen auf das grundlegende Verständnis der evolutionären Anpassung an saisonal veränderliche Lebensbedingungen.

Der Artikel „Summer fades, deer change: Photoperiodic control of cellular seasonal acclimatization of skeletal muscle“ von Kristina Gasch, Alba Hykollari, Manuela Habe, Patricia Haubensak, Johanna Painer-Gigler, Steve Smith, Gabrielle Stalder und Walter Arnold wurde in „iScience“ veröffentlicht.
 

Wissenschaftlicher Artikel 

Transport-Stress bringt das Mikrobiom von Nashörnern aus der Balance

Gefährdete Wildtiere müssen oft über weite Strecken hinweg transportiert werden. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte nun in einer explorativen Studie anhand von Nashörnern (Rhinocerotidae), wie sich solche erzwungenen, aber notwendigen Reisen auf die Darmgesundheit und das Tierwohl der Dickhäuter auswirken. Demnach führen die Transporte und der damit verbundene Stress zu einem Ungleichgewicht des Mikrobioms, was in weiterer Folge zur Entstehung von Krankheiten führen kann.

Umsiedlungen von Nashörnern werden häufig zu Erhaltungszwecken – also aus Tierschutzgründen – durchgeführt. Allerdings setzen diese Transporte die Tiere einer Vielzahl von Stressfaktoren aus, wie  z. B. längeres Fasten, Gefangenschaft, neue Umgebung usw. Dieser Stress kann die Zusammensetzung der Darmmikrobiota (Mikrobiom) verändern, was sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere auswirken kann. Insbesondere können die Nashörner nach einer Umsiedlung Magersucht, Durchfall und eine Darmentzündung (Enterokolitis) entwickeln.

DNA-Analyse zur Bestimmung der Folgen eines Tiertransports

Ziel der soeben veröffentlichten Studie war es, den Einfluss von Alter, Geschlecht und Umsiedlung auf die Zusammensetzung der bakteriellen Mikrobiota im Kot von Nashörnern zu untersuchen. Dazu wurden Kotproben von Nashörnern beim Fang (n = 16) und nach einem mehr als 30-stündigen Straßentransport (n = 7) gesammelt. Aus diesen Proben wurde DNA isoliert und analysiert. „Die Resultate unterschieden sich nicht zwischen Nashörnern unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Allerdings gab es einen signifikanten Unterschied zwischen Kotproben, die beim Fang und nach dem Transport gesammelt wurden“, so Studien-Leiterin Friederike Pohlin vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

„Schlechte“ Bakterien werden mehr, Zahl der guten „Bakterien“ sinkt

Die häufigsten Bakterienstämme in den beim Fang gesammelten Proben waren Firmicutes und Bacteroidetes (85,76 %), vertreten durch die Familien LachnospiraceaeRuminococcaceae und Prevotellaceae. Die Baktierienstämme Proteobacteria und Actinobacteria nahmen in ihrer relativen Häufigkeit vom Fang bis nach dem Transport zu und umfassten potenziell pathogene Bakterienfamilien wie Enterobacteriaceae und Pseudomonadaceae. Wichtige Kommensalen – also „gute“ Bakterien – wie SpirochaetesFibrobacteres und Lachnospiraceae nahmen in ihrer relativen Häufigkeit ab.

Dazu Friederike Pohlin: „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die mit dem Fang und Transport verbundenen Stressfaktoren bei Nashörnern eine unausgewogene Zusammensetzung der fäkalen Mikrobiota verursachen, die zu potenziell infektiösen Darmerkrankungen führen kann. Dieses Ungleichgewicht kann durch die Ausbreitung normalerweise harmloser Krankheitserreger, die vermehrte Ausscheidung von Krankheitserregern oder eine erhöhte Anfälligkeit für neue Krankheitserreger entstehen.“

Einfache Maßnahmen können Tierwohl und -gesundheit deutlich verbessern

Laut dem wissenschaftlichen Team der Studie sind nun weitere Schritte erforderlich, um die klinischen Auswirkungen dieser Veränderungen in der Zusammensetzung der fäkalen Mikrobiota besser zu verstehen: „Insbesondere geht es darum, festzustellen, ob die Veränderungen dauerhaft oder vorübergehend sind. Außerdem müssen wir Möglichkeiten finden, diesen Veränderungen entgegenzuwirken, um die transportbedingte Morbidität und Mortalität bei umgesiedelten Nashörnern zu verringern“.

Vor allem einfach umzusetzende Maßnahmen zur Unterstützung und Stabilisierung einer ausgewogenen Darmmikrobiota während des Transports – wie z. B. die Bereitstellung von ausreichend Wasser und Nahrung in regelmäßigen Abständen oder die Verabreichung von Probiotika – sollten laut den Forscher:innen dringend untersucht werden.

Der Artikel „Capture and transport of white rhinoceroses (Ceratotheriumsimum) cause shifts in their fecal microbiota composition towards dysbiosis“ von Friederike Pohlin, Carolin Frei, Leith C.R. Meyer, Franz-Ferdinand Roch, Narciso M. Quijada, Beate Conrady, Viktoria Neubauer, Markus Hofmeyr, Dave Cooper, Gabrielle Stalder und Stefanie U. Wetzels wurde in „Conservation Physiology“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

Science Talk: Wieviel Raum braucht die "Wildnis"?

Wie viel Raum braucht die Wildnis? Diese Frage stand im Zentrum bei dem am 20. November abgehaltenen Science Talk zur "Koexistenz Mensch und Natur aus wissenschaftlicher Sicht" vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Die geladenen Expert:innen der Runde sprachen sich für mehr Biodiversität und Artenschutz aus - und "mehr Mut zum Wildermachen".

Folgende Expert:innen diskutierten gemeinsam, moderiert wurde der Abend von Astrid Kuffner:

• Claudia Bieber, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Veterinärmedizinische Universität Wien
• Klaus Hackländer, Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, Universität für Bodenkultur Wien
• Alois Humer, Institut für Geographie / Stadt- und Regionalforschung, Universität Wien und Österreichische Akademie der Wissenschaften

Eine Nachlese zur Veranstaltung finden Sie unter folgendem Link.
 

Wildschweine trotzen durch Thermoregulierung dem Klimawandel

Im Laufe der Evolution haben sich Wildschweine (Sus scrofa) weltweit verbreitet und werden in dieser Hinsicht nur vom Menschen und dessen Dauerbegleitern Maus (Mus musculus) und Ratte (Rattus norvegicus) übertroffen. Wesentlicher Faktor der hohen Anpassungsfähigkeit auf unterschiedlichste Umweltbedingungen ist die ausgeprägte Fähigkeit der Wildschweine zur Regulierung ihrer Körpertemperatur. Laut einer soeben veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien könnte dadurch der globale Klimawandel für Wildschweine nur geringe Auswirkungen haben.

Evolutionär stammt das Wildschwein von warmen Inseln in Südostasien, ist heute aber auf allen Kontinenten, außer in der Antarktis zu finden. Nahe liegend wäre es, diesen Siegeszug auf die steigenden Umwelttemperaturen zurückzuführen.

Für ihre Studie überprüften die Wissenschafter:innen die Hypothese, ob die Temperatur als Lebensraumfaktor im Vergleich zu anderen Lebensraumfaktoren unwichtig ist, weil Wildschweine ausgezeichnete Thermoregulatoren sind. Untersucht wurden 13 erwachsene Weibchen, die im Burgenland in einem Freigehege leben. Ausgestattet waren die Wildschweine mit Sensoren für Herzschlag und Körpertemperatur.

Laut den Forscher:innen der Vetmeduni wirkt die Temperatur nur indirekt. Wichtiger ist demnach die reichliche Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen, sie kann die negativen Auswirkungen kalter Winter vollständig ausgleichen.

Wildschweine zeigen hohe Resilienz gegenüber Temperaturunterschieden

„Wir fanden heraus, dass die thermoneutrale Zone im Sommer etwa 6 bis 24°C beträgt. Im Winter liegt die thermoneutrale Zone bei 0 bis 7°C. Zudem ist der Anstieg der Herzfrequenz und des Energieverbrauchs bei Kälte vergleichsweise gering“, so Studien-Erstautor Thomas Ruf vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni. „Dieser relativ geringe Anstieg des Energieverbrauchs bei Kälteexposition stellt das Wildschwein in die Reihe der arktischen Tiere, wie z. B. des Eisbären, während tropische Säugetiere ihren Energieverbrauch um ein Vielfaches erhöhen. Andererseits war die Reaktion der von uns untersuchten Wildschweine auf hohe Umgebungstemperaturen zu allen Jahreszeiten schwach.“

Vorteil in Zeiten des globalen Klimawandels

Für die Thermoregulation sind Wildschweine auf tägliche Zyklen angewiesen, insbesondere auf Rhythmen der subkutanen Temperatur. Dazu Studien-Letztautorin Claudia Bieber, Leiterin des FIWI der Vetmeduni: „Diese ermöglichen es ihnen, mit geringem Energieaufwand große Unterschiede der Haut- und Körperkerntemperatur aufzubauen, was wiederum den Wärmeverlust verringert.“ Laut den Forscher:innen führte vor allem diese Fähigkeit – zusammen mit wirksamen Verhaltensstrategien zum Ausgleich von Hitze – dazu, dass Wildschweine heute die klimatisch unterschiedlichsten Gebiete der Welt bewohnen.

Laut den Wissenschafter:innen wäre es vor diesem Hintergrund keine Überraschung, wenn Wildschweine nur geringe Reaktionen auf den globalen Klimawandel zeigen würden. Allerdings könnte die mit der Klimaerwärmung verbundene, zunehmende Trockenheit zu einer geringeren Nahrungsverfügbarkeit führen und Wildschweine damit vor ein anderes Problem stellen.

Der Artikel „Thermoregulation in the wild boar (Sus scrofa)“ von Thomas Ruf, Sebastian G. Vetter, Johanna Painer-Gigler, Gabrielle Stalder und Claudia Bieber wurde in „Journal of Comparative Physiology B“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

Lebensstilbedingte Erkrankungen: Deutliche Parallelen bei Mensch und Bär

Ehemals in Gallefarmen gehaltene Bären zeigen ähnliche lebensstil-bedingte Pathologien, die auch für das beschleunigte und frühzeitige Altern beim Menschen verantwortlich gemacht werden. Das ist die zentrale Erkenntnis einer internationalen Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Demnach gibt es bei Gallefarm-Bären deutliche Parallelen zu einer Reihe von Krankheiten beim Menschen – die hier wie dort durch die schädlichen Auswirkungen der Lebensbedingungen bedingt sind.

Für ihre Studie untersuchten die Forscher:innen die langfristigen Auswirkungen chronischer Entzündungen bei 42 asiatischen Schwarzbären (Ursus thibetanus), die aus vietnamesischen Gallefarmen gerettet wurden. Im Rahmen notwendiger medizinischer Eingriffe wurden die Bären mindestens zweimal unter Narkose untersucht und behandelt. Bei allen Bären wurde eine chronische, geringgradige, sterile oder bakterielle hepatobiliäre Entzündung zusammen mit anderen Erkrankungen diagnostiziert.

Erkenntnisse aus Untersuchungen geretteter Gallefarm-Bären als Modellbeispiel für lebensstilbedingte Erkrankungen des Menschen

„Chronische Entzündungen in Verbindung mit schlechter Haltung und chronischem Stress scheinen das Risiko für die Entwicklung degenerativer Krankheiten wie fettleibiger Sarkopenie (verminderte Muskelmaße und -kraft), chronischer Nierenerkrankung und beeinträchtigter Herz-Kreislauf-Funktion zu erhöhen. Diese Störungen sind ein Anzeichen beschleunigter Alterung. Der Phänotyp (Erscheinungsbild) von Gallefarm-Bären steht hier im deutlichen Gegensatz zum gesunden Phänotyp wilder Bären, die Winterschlaf halten“, so Studien-Erstautorin Szilvia K. Kalogeropoulu vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Diese Erkenntnisse weisen weit über die untersuchten Tiere hinaus, wie Studien-Letztautorin (Supervisorin) Johanna Painer-Gigler vom FIWI erklärt: „Die pathologischen Parallelen zu entzündlichen und durch Immunseneszenz – also die Verschlechterung des Immunsystems – bedingten Zuständen beim Menschen lassen darauf schließen, dass die Erkenntnisse durch in Gallefarmen gehaltene Bären als Modellbeispiel zur Untersuchung der Pathophysiologie und der schädlichen Auswirkungen lebensstilbedingter Krankheiten dienen könnten. Dadurch kann man diese Pathologien aus einem weiteren Winkel betrachten und hoffentlich dadurch besser verstehen lernen.“

Biomimetik – inspiriert durch die Natur, nützlich für Tier und Mensch

Diesen Zusammenhang identifizierten die Forscher:innen mit einem biomimetischen Ansatz, also die Inspiration durch die Natur. Im medizinischen Kontext sind biomimetische Studien an Wildtieren nützlich, um Mechanismen zu identifizieren, die vor der altersbedingten Belastung durch Zivilisationskrankheiten schützen oder wie in dieser Studie gezeigt, die Anfälligkeit dafür erhöhen. Der bioinspirierte Ansatz kann neue Möglichkeiten für die Entwicklung von medizinischen Behandlungen und Arzneien für Mensch und Tier bieten. Man lernt aus der Natur, vergleicht verschiedene Erkenntnisse zwischen Tieren und Menschen und kreiert dabei Wissen, welches zudem nicht auf Tierversuchen, sondern der vergleichenden Medizin gestützt wird. So auch in der vorliegenden Studie: Überwinternde freilaufende Bären (gesunde Kontrollgruppe) dienten als Bioinspiration aufgrund ihrer Mechanismen, die sie vor der Belastung durch Lebensstilkrankheiten schützen, die sich beim Menschen mit zunehmendem Alter häufen. Dazu zählen neben Muskelschwund u. a. auch Osteoporose, Gefäßerkrankungen und chronische Nierenerkrankungen. 

Der Winterschlaf als evolutionäre Anpassung hat Bären im Allgemeinen widerstandsfähiger gegen Organschäden und Stoffwechselstörungen gemacht. Nicht so jedoch ihre in Gallefarmen gehaltenen Artgenossen, die unter stark suboptimalen Haltungs- und unnatürlichen Lebensbedingungen, Erkrankungsbilder zeigen, wie sie auch vom Menschen, bei ungesundem Lebensstil, bekannt sind.         

Der Artikel „Formerly bile-farmed bears as a model of accelerated ageing“ von Szilvia K. Kalogeropoulu, Hanna Rauch-Schmücking, Emily J. Lloyd, Peter Stenvinkel, Paul G. Shiels, Richard J. Johnson, Ole Fröbert, Irene Redtenbacher, Iwan A. Burgener und Johanna Painer-Gigler wurde in „Scientific reports“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-07-06

 

 

Klimawandel und Winterschlaf: Gartenschläfer reagieren flexibel

Wie wirkt sich der Klimawandel auf Tiere aus, die Winterschlaf halten? In einer experimentellen Versuchsanordnung ging ein Forschungsteam der Veterinärmedizinischen Universität Wien dieser Frage nach. Dabei zeigte sich, dass die untersuchten Gartenschläfer (Eliomys quercinus) – enge Verwandte der Siebenschläfer – durchaus in der Lage sind, sich auf wärmere Klimabedingungen einzustellen. Allerdings nur, sofern genug Futter vorhanden ist.

Der Winterschlaf ist eine Strategie zum Energiesparen, die viele Tiere in der kalten Jahreszeit nützen. Durch den Klimawandel ist diese Zeit eines reduzierten Stoffwechsels und einer verminderten Körpertemperatur beeinträchtigt. Dadurch nimmt die Häufigkeit der periodischen Wiedererwärmung zu, die mit einem hohen Maß an oxidativem Stress verbunden ist, was sich an der Verkürzung der Telomere zeigt – jener Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden und wesentlich für das Altern verantwortlich sind.

Untersuchungsziel: Fressverhalten und Telomerdynamik während des Winterschlafs

Vor diesem Hintergrund untersuchten die Forscher:innen in ihrer Studie den Einfluss der Umgebungstemperatur auf das Fressverhalten und die Telomerdynamik bei Gartenschläfern. Dieser nachtaktive Kleinsäuger bereitet sich auf den Winterschlaf vor, indem er Fettreserven ansammelt, er kann aber auch während des Winterschlafs fressen. Gemessen wurden Nahrungsaufnahme, Erstarrungsmuster, Veränderungen der Telomerlänge und Körpermasseveränderung von Tieren, die über einen Zeitraum von sechs Monaten bei experimentell kontrollierten Temperaturen von entweder 14 °C – ein milder Winter – oder 3 °C – ein kalter Winter – gehalten wurden.

Höhere Temperaturen beeinträchtigen Winterschlaf, Ausgleich durch erhöhte Nahrungsaufnahme

Während des Winterschlafs bei 14 °C erwachten Gartenschläfer 1,7-mal häufiger und 2,4-mal länger aus dem Winterschlaf als ihre Artgenossen, die bei 3 °C überwinterten. „Eine höhere Nahrungsaufnahme ermöglichte es den bei wärmeren Temperaturen überwinternden Individuen jedoch, den erhöhten Energiebedarf auszugleichen, den Verlust an Körpermasse abzufedern und so die Überlebensrate im Winter zu erhöhen“, erklärt Studien-Co-Erstautorin Marie-Therese Ragger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Telomere werden unabhängig von der Temperatur deutlich länger

Interessanterweise beobachteten die Forscher:innen unabhängig von der Temperatur eine signifikante Zunahme der Telomerlänge über die gesamte Winterschlafperiode. Das Forschungsteam kommt deshalb laut Studien-Co-Erstautor Sylvain Giroud (FIWI) der Vetmeduni zum Schluss, „dass auch höhere Temperaturen im Winter, wenn sie mit einem ausreichenden Nahrungsangebot einhergehen, einen positiven Einfluss auf die Energiebilanz und die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen haben können. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nahrungsverfügbarkeit im Winter ein entscheidender Faktor für das Überleben des Gartenschläfers sein könnte. Aufgrund des Klimawandels und der ständig steigenden Temperaturen könnte diese Anpassungsstrategie in Zukunft immer wichtiger werden.“

Der Artikel „Food availability positively affects the survival and somatic maintenance of hibernating garden dormice (Eliomys quercinus)“ von Sylvain Giroud, Marie‑Therese Ragger, Amélie Baille, Franz Hölzl, Steve Smith, Julia Nowack und Thomas Ruf wurde in „Frontiers in Zoology“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-07-03

 

Photoperiode: Kürzere Tage lassen Hirsche zur Ruhe kommen

Die Winter in nördlichen Breiten sind hart. Um Nahrungsknappheit und Kälte zu überleben, reduzieren viele Vögel und Säugetiere ihren Energiebedarf im Winter durch Absenken des Stoffwechsels (Hypometabolismus) und der Körpertemperatur. Dieses Phänomen ist vor allem von Winterschläfern bekannt. Es wird durch die Photoperiode – also durch die Veränderung der Tages- und Nachtlänge – gesteuert. Das Ausmaß des Hypometabolismus und der Abnahme der Körpertemperatur wird bei Winterschläfern aber auch von der Nahrung beeinflusst, und zwar durch die Zufuhr essenzieller mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Ob ähnliche Effekte auch bei nicht-winterschlafenden großen Säugetieren zu finden sind, untersuchte nun ein Team der Veterinärmedizinischen Universität Wien an Rothirschen. Die Studie wurde als Coverstory in der renommierten Fachzeitschrift „Animals“ veröffentlicht.

Mit ihrer experimentellen Studie bestätigt das Forschungsteam zum ersten Mal, dass saisonale Veränderungen der Körpertemperatur und der daraus resultierende, geringe Energieverbrauch auch bei nicht winterschlafenden Säugetieren durch denselben Mechanismus wie bei Winterschläfern gesteuert werden – und zwar durch die Veränderung der Photoperiode.

Melatonin und Nahrung als experimentelle Trigger

Dazu fütterten die Forscher:innen erwachsene Rothirsch-Weibchen (Cervus elaphus) mit Pellets, die entweder mit Linolsäure oder -Linolensäure angereichert waren und simulierten Perioden mit reichhaltigem und eingeschränktem Nahrungsangebot. Das entscheidende Experiment zur Rolle der Photoperiode für physiologische und verhaltensbedingte saisonale Veränderungen war die künstliche Zufuhr von Melatonin im Sommer, einem Hormon, dass natürlicherweise in der täglichen Dunkelphase ausgeschüttet wird und so die Tageslänge in ein physiologisches Signal umsetzt. Die Hirsche waren mit Datenloggern ausgestattet, die Herzfrequenz, Körpertemperatur sowie Bewegungsaktivität aufzeichneten. Darüber hinaus wurden die Tiere regelmäßig gewogen und ihre tägliche Aufnahme von Futterpellets gemessen.

Kurze Tage sind wesentlich für physiologische Veränderungen

„Durch die experimentelle Erhöhung der Menge an Melatonin bereits im Frühsommer auf Werte, die etwa dreimal so hoch waren wie der Winterhöchstwert, induzierten wir Wochen im Voraus einen Winterphänotyp bei allen gemessenen Merkmalen. Wir schließen daraus, dass Rothirsche bei kurzen Tageslängen den Energieaufwand für die Thermoregulierung reduzieren, eine Reaktion, die durch ein eingeschränktes Futterangebot verstärkt wird“, erklärt der Studienleiter Walter Arnold vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni. Die Versorgung mit essentiellen Fettsäuren über die Nahrung beeinflusste dagegen die saisonale Anpassung der Rothirsche nur marginal.

Umfassender Mechanismus, der in vielen Tierarten wirkt

Wissenschaftlich ist bekannt, dass zahlreiche Arten, die Regionen mit strengen Wintern bewohnen, saisonale Zyklen physiologischer und Verhaltensmerkmale mit Tiefpunkten im Winter aufweisen. „Es scheint, dass diese Zyklen allgegenwärtig von einem alten endogenen Rhythmus gesteuert werden, der durch die Photoperiode jahreszeitlich synchronisiert wird. Dieser Mechanismus ist für die rechtzeitige Vorbereitung nicht nur von Winterschläfern, sondern auch von vielen anderen Arten auf die tiefgreifende Veränderung der Lebensbedingungen durch die Jahreszeiten verantwortlich,“ so Walter Arnold.

Der Artikel „The Influence of Photoperiod, Intake of Polyunsaturated Fatty Acids, and Food Availability on Seasonal Acclimatization in Red Deer (Cervus elaphus)“ von Kristina Gasch, Manuela Habe, Julie Sophie Krauss, Johanna Painer-Gigler, Gabrielle Stalder und Walter Arnold wurde in „Animals“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-06-15

Neue Analyse zeigt: Winterschlaf ist nicht gleich Winterschlaf

Vergleicht man den Winterschlaf verschiedener Tierarten, zeigen sich zwei unterschiedliche Muster. Eine kürzlich veröffentlichte australisch-österreichische Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte, wie sich dieser Unterschied auf das Langzeitüberleben der Tiere auswirkt. Die Forscher kommen zum Schluss, dass Winterschlaf nicht gleich Winterschlaf ist und sich dieser evolutionär vermutlich aus unterschiedlichen Gründen entwickelt hat.

Der Winterschlaf ist bei Säugetieren und Vögeln eine hochwirksame Methode, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Das Ausmaß der erzielten Energieeinsparung und damit des langfristigen Überlebens scheint jedoch nicht bei allen Arten gleich zu sein. Überwinterer, die einen über viele Tage reichenden Winterschlaf halten, sind demnach Heterothermen – das sind Arten, die ihren Winterschlaf auf Tagesfrist beschränken (Tagestorpor) – im Vorteil.

Tests bei unterschiedlichen Temperaturen

Eine gemeinsame Studie von Vetmeduni und der University of New England (Armidale, New South Wales, Australien) testete deshalb nun dieses wissenschaftliche Konzept. Die Forscher analysierten, wie das Langzeitüberleben mit dem gespeicherten Körperfett – das für die Überwindung widriger Perioden entscheidend ist – und dem Muster des Winterschlafs in Zusammenhang steht. Sie untersuchten dazu den Winterschlaf des Dickschwanz-Schlafbeutlers (Cercartetus nanus), einem kleinen, mausgroßen Beuteltier bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen. Die für den Winterschlaf typische Durchschnittstemperatur betrug im Test 7 °C, während die für den Tagestorpor typische bei 15 und 22 °C lag.

Deutliche Unterschiede der Winterschlafmuster und Überlebenszeit …

Die Dickschwanz-Schlafbeutler hielten bei allen Temperaturen Winterschlaf und überlebten ohne Nahrung durchschnittlich 310 Tage bei 7 °C, 195 Tage bei 15 °C und 127 Tage bei 22 °C. Bei 7 und 15 °C stieg die Dauer der reduzierten Temperatur (duration of torpor bouts; TBD) von weniger als ein bis drei Tagen bzw. fünf bis 16 Tagen auf über zwei Monate, während bei 22 °C die TBD bei weniger als ein bis zwei Tagen blieb. Bei allen Temperaturen war der tägliche Energieverbrauch wesentlich niedriger und die TBD und die Überlebenszeiten der Beuteltiere viel länger (3 bis 12 Monate) als bei Heterothermen mit Tagestorpor (rund 10 Tage).

… weisen auf unterschiedliche ökologische Zwecke hin

Studien-Letztautor Thomas Ruf vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni zieht daraus den folgenden Schluss: „Solche ausgeprägten Unterschiede in den Torpormustern und Überlebenszeiten selbst unter ähnlichen thermischen Bedingungen liefern eine starke Unterstützung für das Konzept, dass der Winterschlaf bei Überwinterern und Heterothermen physiologisch unterschiedlich ist und sich für unterschiedliche ökologische Zwecke entwickelt hat.“

Der Artikel „Long‑term survival, temperature, and torpor patterns“ von Fritz Geiser und Thomas Ruf wurde in „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-31

Fortpflanzung beim Feldhasen trotz Niacin-Mangels

Niacin, früher auch als Vitamin B3 bekannt, ist bei Säugetieren am Stoffwechsel beteiligt, wirkt antioxydativ und ist wichtig für die Regeneration von Haut, Muskeln, Nerven und DNA. Eine aktuelle Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte, wie sich ein Mangel an Niacin bei Feldhasen auf die Reproduktionsfähigkeit auswirkt: Die Fortpflanzungsleistung nimmt keinen Schaden, allerdings zeigen sich deutlich negative Auswirkungen auf das Körpergewicht der Junghasen.

Große Maisflächen in Agrarlandschaften sind mit einer verminderten Fortpflanzungsleistung der Weibchen und einer beeinträchtigten Populationsentwicklung freilebender Feldhasen (Lepus europaeus) verbunden. Im Rahmen einer experimentellen Studie untersuchte deshalb ein Forschungsteam der Vetmeduni an in Gefangenschaft gehaltenen Feldhasen, ob diese Effekte auf eine Unterversorgung mit Niacin durch eine Mais-lastige Ernährung zurückzuführen sind.

Geringeres Körpergewicht bei Niacin-armer Nahrung

Im Rahmen der Studie wurden erwachsene weibliche Hasen wiederholt verpaart. Gefüttert wurden sie entweder mit einem Niacin-armen Pellet, das hauptsächlich aus Maispflanzenteilen bestand, oder mit dem gleichen Pellet, das mit Niacin angereichert war, um den physiologischen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Forscher:innen maßen die Auswirkungen der experimentellen Fütterung auf das Gewicht der Weibchen, die Fortpflanzungsleistung, das Wachstum und das Überleben der jungen Häschen. „Das Körpergewicht der Weibchen, die mit Niacin-reicher Nahrung gefüttert wurden, war signifikant höher und ihre Jungen nahmen deutlich schneller Gewicht zu“, so Studien-Erstautor Aldin Selimovic vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Kein signifikanter Unterschied beim Fortpflanzungserfolg

Allerdings fanden die Forscher:innen keinen signifikanten Unterschied zwischen einem Niacin-Mangel und einer mit Niacin angereicherten Kost in Bezug auf die Reproduktionsleistung von Weibchen und die Überlebensraten ihres Nachwuchses. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst eine Niacin-arme Ernährung den Fortpflanzungserfolg weiblicher Feldhasen nur geringfügig beeinflusst, vermutlich aufgrund einer ausreichenden Umwandlung von Tryptophan in Niacin oder einer zusätzlichen Versorgung mit Niacin durch Mikroorganismen im Blinddarm“, sagt Selimovic. „Die Effekte, welche wir bei der Gewichtsentwicklung von Junghasen in unserer Tierhaltung gefunden haben, könnten in freier Wildbahn – wo die Junghasen dem Wind, Regen und der Kälte ausgesetzt sind – viel stärker sein und das Überleben der Junghasen stark beeinflussen," so Selimovic weiter.

Lebensgefährlicher Niacin-Mangel beim Menschen

Nach der Ankunft von Christoph Columbus in Amerika wurde Mais als eine der ersten Nutzpflanzen nach Europa gebracht. Aufgrund der hohen Erträge verbreitete er sich rasch weltweit und wurde für viele Menschen zum Grundnahrungsmittel. Die darin gebundene Form der Nicotinsäure (Niacytin) kann vom menschlichen Körper allerdings nicht verwertet werden. Aufgrund einseitiger Ernährung trat deshalb früher häufig die Mangelerkrankung Pellagra auf, welche unbehandelt zum Tod führen kann.

 

Der Artikel „The effect of dietary niacin deficiency on reproduction of European brown hares: An experimental study“ von Aldin Selimovic, Mathilde L. Tissier, Gabrielle Stalder, Johanna Painer-Gigler, Anna Haw, Hanna Rauch und Walter Arnold wurde in „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-25

Neu sequenziertes Genom verbessert den Schutz des gefährdeten Gepards

Referenzgenome liefern wichtige Informationen, insbesondere für den Schutz bedrohter Arten. Einem unter der Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien stehenden internationalen Forschungsteam gelang es nun ein noch hochwertigeres Genom für den Geparden zu sequenzieren. Die neu gewonnenen Daten stellen einen Meilenstein dar und werden das Wissen und das Verständnis über den Geparden deutlich verbessern.

Der Gepard ist teilweise vom Aussterben bedroht. Um richtige Entscheidungen für seine Erhaltung zu treffen, werden genomische Analysen immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund wurden kürzlich Genomanalysen des Gepards basierend auf sogenannten Short-Read-Sequenzen veröffentlicht.

Tiefergehende Genomanalysen – wie Untersuchungen der Mutationslast und der genetischen Gesundheit – erfordern jedoch hochkontinuierliche Referenzgenome. Diese helfen beispielsweise, die evolutionäre Anpassungsfähigkeit und den Inzuchtstatus zu bewerten, und spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Managementmaßnahmen im Naturschutz.

Referenzgenom erlaubt Beantwortung wichtiger biologischer Fragen

Da ein solches Referenzgenom für den Gepard derzeit nicht verfügbar ist, haben die Forscher:innen nun ein Genom auf Chromosomenebene sequenziert und zusammengesetzt. „Das neue Referenzgenom VMU_Ajub_asm_v1.0 zeigt eine starke Verbesserung gegenüber den bisher zur Verfügung stehenden Genomen für den Geparden. Es ist das Erste, dass auf Sequenzen von langen DNA Molekülen, so genannten "long reads" basiert, wodurch es uns möglich war auch schwierige Bereiche des Genoms, besonders repetitive Regionen, zuzuzordnen und bisher bestehende Lücken zu füllen. Die verbessere Kontinuität des Genoms wird eine Vielzahl von Genomanalysen ermöglichen, die bisher so nicht möglich waren“, erklärt Studien-Erstautor Sven Winter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Laut den Forscher:innen bietet die neue Genomressource eine solide Grundlage, um wichtige biologische Fragen wie das Verständnis des Prozesses der natürlichen Selektion und Anpassung zu beantworten. Dazu Studien-Letztautorin Pamela Burger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni: „Hochkontinuierlich annotierte Genomanordnungen im Chromosomenmaßstab sind wertvolle Referenzen für evolutionäre oder konservierende Genomanalysen und ermöglichen eingehende Studien zur strukturellen Variation oder zur Diversität und Funktion bestimmter Gene wie z. B. Immunantwortgene. Genomassemblierungen von Nicht-Modellorganismen dieser Qualität sind derzeit jedoch noch selten.“

Schnellstes Landtier der Welt und vom Aussterben bedroht

Der Gepard (Acinonyx jubatus) ist eine große Raubkatze und gilt mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 105 km/h als das schnellste Landtier. Historisch bewohnte er offenes Grasland in ganz Afrika, auf der Arabischen Halbinsel und im Südwesten Asiens. Derzeit bewohnt er nur kleine Bruchteile seines früheren Verbreitungsgebiets, was zu kleinen und fragmentierten Populationen führt. Der Gepard als Art wird derzeit auf der Roten Liste bedrohter Arten der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als „gefährdet“ angesehen, wobei zwei Unterarten A. j. venaticus (Iran) und A. j. hecki (Nordwestafrika) als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft gelten.

 

Der Artikel „A chromosome-scale high-contiguity genome assembly of the cheetah (Acinonyx jubatus)“ von Sven Winter, René Meißner, Carola Greve, Alexander Ben Hamadou, Petr Horin, Stefan Prost und Pamela A. Burger wurde im „Journal of Heredity“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-16