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Paviane eröffnen neue Einblicke in die Evolution des Genoms

30.01.2019: Ein Forschungsteam der Vetmeduni Vienna untersuchte die evolutionäre Diversifizierung am Beispiel von sechs Pavian-Arten. Die Ergebnisse der Studie liefern neue spannende Einblicke in die Entwicklung des Genoms – auch in das des Menschen.

Kürzlich durchgeführte Studien legen nahe, dass eng verwandte Arten trotz fortlaufenden Genflusses im Zuge ihrer Entwicklung erhebliche genetische und phänotypische Unterschiede entwickeln können – was traditionelle Vorstellungen hinsichtlich der genetischen Artenbildung in Frage stellt.

Eine aktuelle Studie der Vetmeduni Vienna, die vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) gefördert wurde, und kürzlich in „Science Advances“ erschien, untersuchte nun die genomische Diversifizierung von sechs Pavian-Arten. Dabei fand das internationale Forschungsteam Beweise für die Hybridisierung sowohl früherer als auch jüngster Generationen bei unterschiedlichen Arten. Diese Ergebnisse helfen dabei, ähnliche Fälle zu verstehen, darunter auch die komplexe Diversifizierung und genetische Beimischung beim modernen Menschen und unserer ausgestorbenen Verwandten wie den Neandertalern, Denisova-Menschen sowie anderen Hominini (= ausgestorbene Vorfahren des Menschen).

Evolutionäre Anpassung begann vor 1,5 Millionen Jahren genau wie beim Menschen

Wie unsere eigene Gattung Homo begann sich der Stammbestand der Papio-Paviane vor ca. 1,5 Millionen Jahren in mehrere Abstammungslinien (phylogenetische Arten) innerhalb Afrikas südlich der Sahara zu teilen. Heute handelt es sich bei Pavianen (Gattung Papio) um große, geographisch weit verbreitete Altweltaffen, die – im Gegensatz zum Homo – aus sechs leicht unterscheidbaren Arten bestehen und sich in freier Wildbahn untereinander paaren (sogenannte Hybridisierung). Wie der frühe Homo unterscheiden sich Pavian-Arten unter anderem in Körpergröße, Morphologie und Verhalten.

Die Forscherinnen und Forscher konnten in ihrer Studie nachweisen, dass mehrere Pavian-Linien Episoden einer Beimischung erlebt haben, von denen einige einen genetischen Austausch zwischen den Abstammungslinien aufweisen, die bis heute Bestand haben, während es sich bei anderen um ausgestorbene Linien handelt. Diese Vielfalt bietet die Möglichkeit, die genomischen, morphologischen und verhaltensspezifischen Aspekte einer evolutionären Anpassung anhand eines weitgehend erfolgreichen und anpassungsfähigen Primaten zu untersuchen.

Neue Einblicke in die Evolution des Genoms

Carolin Kosiol vom Institut für Populationsgenetik der Vetmeduni Vienna/University of St Andrews erklärt, wie das internationale Forschungsteam vorging: „Wir erstellten eine Referenzgenom-Baugruppe für die Pavianart ‚Papio anubis‘ und Sequenzdaten für das gesamte Genom für alle sechs vorhandenen Spezies. In einem weiteren Schritt dokumentierten wir mehrere Episoden der Beimischung und Introgression während der Ausbreitung der Papio-Paviane und konnten damit ihren Wert als Modell für komplexe evolutionäre Diversifizierung und Hybridisierung  demonstrieren. Dadurch eröffnen sich neue Einblicke in die Cladogenese im Allgemeinen und die Art, Geschwindigkeit und Folgen der genomischen Evolution im Besonderen. Hierbei waren insbesondere  neue genomweite Computerprogramme hilfreich, die mein ehemaliger Doktorand Dominik Schrempf entwickelt hat.“ Im Rahmen der Studie wurden sowohl in freier Wildbahn als auch in Gefangenschaft lebende Paviane untersucht.

Keine signifikanten Barrieren für die Hybridisierung

Bei der untersuchten Hybridisierung konnten keine wesentlichen Reproduktionsbarrieren nachgewiesen werden. Sogar dramatische Unterschiede in den Sozialsystemen hindern unterschiedliche Arten in freier Wildbahn nicht an der Hybridisierung. Dieser Nachweis gelang für die beiden Arten Papio Anubis und Papio Hamadryas, die sich signifikant in ihrer sozialen Organisation und sozialen Struktur unterscheiden. Bei den Anubis-Pavianen sind sowohl Männer als auch Frauen polygam. Hamadryas-Gesellschaften sind hingegen mehrstufig, mit „Harem“-ähnlichen Ein-Mann-Zuchteinheiten (OMUs) als basale soziale Einheiten. Es gibt jedoch Evidenzen für den unterschiedlichen Erfolg von Paarungstypen und ein gewisses Maß an genetischer Inkompatibilität verschiedener Pavian-Arten.

Wichtiger Ansatzpunkt für weitere Forschungsarbeiten – auch mit Relevanz für den Menschen

Da Paviane im Gegensatz zum Menschen noch heute in Hybridzonen untersucht werden können, bilden sie einen wichtigen Ansatzpunkt für die zukünftige Forschung. Mögliche Untersuchungsbereiche sind beispielsweise die Auswirkungen der genetischen Variation auf die Neurotransmitterfunktion und ihre Auswirkungen auf die Unterschiede auf Artenebene in sozialen Beziehungen und sozialem Verhalten oder die Untersuchung der Auswirkungen einer zunehmenden genetischen Diversifizierung.

Der Artikel „The comparative genomics and complex population history of Papio baboons“ von Jeffrey Rogers, Muthuswamy Raveendran, R. Alan Harris, Thomas Mailund, Kalle Leppälä, George Athanasiadis, Mikkel Heide Schierup, Jade Cheng, Kasper Munch, Jerilyn A. Walker, Miriam K. Konkel, Vallmer Jordan, Cody J. Steely, Thomas O. Beckstrom, Christina Bergey, Andrew Burrell, Dominik Schrempf, Angela Noll, Maximillian Kothe, Gisela H. Kopp, Yue Liu, Shwetha Murali, Konstantinos Billis, Fergal J. Martin, Matthieu Muffato, Laura Cox, James Else, Todd Disotell, Donna M. Muzny, Jane Phillips-Conroy, Bronwen Aken, Evan E. Eichler, Tomas Marques-Bonet, Carolin Kosiol, Mark A. Batzer, Matthew W. Hahn, Jenny Tung, Dietmar Zinner, Christian Roos, Clifford J. Jolly, Richard A. Gibbs, Kim C. Worley und dem „Baboon Genome Analysis Consortium“ wurde in Science Advances veröffentlicht.