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29.12.2022: Männliche Hausmäuse erzeugen Ultraschallvokalisationen (USVs), die überraschend komplex sind und, wenn sie für menschliche Ohren hörbar gemacht werden, ähnlich wie die „Lieder“ von Singvögeln und Walen klingen. Die Funktionen der USVs der Männchen bei der Balz sind nicht eindeutig geklärt, aber es wird oft vermutet, dass ihre Gesänge die sexuelle Empfänglichkeit der Weibchen erhöhen. Diese Vermutung wurde vor kurzem von Forscher:innen des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni (KLIVV) zum ersten Mal überprüft.

Männliche Pheromone regen sexuelle Empfänglichkeit an

Es ist seit langem bekannt, dass männliche Hausmäuse Pheromone produzieren, die Veränderungen in der weiblichen Fortpflanzungsphysiologie und im Verhalten hervorrufen, einschließlich der Aktivierung und Beschleunigung des Brunstzyklus. Die durch Pheromone ausgelöste Einleitung der Brunst wurde vor über 60 Jahren von Wesley Whitten bei domestizierten Labormäusen entdeckt und wird auch oft als „Whitten-Effekt“ bezeichnet. Die Forscher:innen wollten daher erstmals den Whitten-Effekt bei wilden Hausmäusen bestätigen und prüfen, ob männliche Balz-USVs in ähnlicher Weise die Brunst und sexuelle Empfänglichkeit auslösen.

Prüfung der Auswirkungen mehrerer männlicher Reize

Das Forschungsteam rund um Dustin Penn vom KLIVV der Veterinärmedizinischen Universität Wien führte die Studie mit wilden Hausmäusen durch und begannen mit der Aufzeichnung der USVs der Männchen bei der Balz. Über einen Zeitraum von zwei Wochen beobachteten sie mit Hilfe der Vaginalzytologie das Östrus-Stadium der Weibchen, während sie die Weibchen von den Männchen und den männlichen Reizen isoliert hielten. Anschließend setzten sie die Überwachung des Östrus zwei weitere Wochen lang fort, während sie die Weibchen verschiedenen männlichen Reizen aussetzten: entweder (1) Aufnahmen von männlichen USVs (wofür spezielle Lautsprecher erforderlich waren), (2) männlichem Duft, (3) sowohl männlichem Duft als auch USVs oder (4) Kontrollduft und -geräusche. Auf diese Weise konnten sie testen, ob die Kombination von männlichem Duft und USVs bei den Weibchen eine stärkere Wirkung hatte als einer der beiden Reize allein. Schließlich paarten die Forscher:innen die Weibchen mit Männchen, um zu testen, ob einer dieser Reize die Fortpflanzung der Weibchen beeinflusste.

Männliche Lieder nicht so sexy wie Pheromone

Die Wissenschafter:innen bestätigten, dass männlicher Duft den weiblichen Brunstzyklus verstärkte, während die USVs keine Wirkung hatten. Weibchen, die sowohl männlichen USVs als auch Duft ausgesetzt waren, durchliefen mehr Zyklen als solche, die nur dem männlichen Duft ausgesetzt waren, was darauf hindeutet, dass USVs die Wirkung des männlichen Dufts verstärkten; diese Wirkung war jedoch statistisch nicht signifikant. Nach der Paarung der Mäuse stellten die Forscher:innen fest, dass die Weibchen, bei denen der männliche Duft den Zyklus auslöste, ihren ersten Wurf früher zur Welt brachten als die Kontrolltiere, während die männlichen USVs keinen solchen Effekt hatten.

Die Balzgesänge männlicher Mäuse scheinen also keinen Einfluss auf den weiblichen Brunstzyklus zu haben, obwohl die Forscher:innen dieses Szenario noch nicht völlig ausschließen können. Ihre Ergebnisse lassen die Möglichkeit zu, dass männliche USVs die Wirkung männlicher Pheromone auf die sexuelle Empfänglichkeit der Weibchen verstärken. Dies war die erste Studie, die den Whitten-Effekt bei wilden Hausmäusen bestätigen konnte, und die erste, die zeigte, dass männlicher Duft eine stärkere Wirkung auf die sexuelle Empfänglichkeit von Weibchen hat als männliche Vokalisationen. Das Problem besteht nun darin, zu erklären, warum der Duft der Männchen einen größeren Einfluss auf die sexuelle Empfänglichkeit der Weibchen hat als ihre Gesänge.


Der Artikel "Male scent but not courtship vocalizations induce estrus in wild female house mice" von Simon Wölfl, Sarah M. Zala und Dustin J. Penn wurde in Physiology & Behavior  veröffentlicht. 

Wissenschaftlicher Artikel