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Die Verwandlung: Wie eine normale Zelle zu einer Krebszelle wird

21.06.2019: Alle 35 Sekunden wird ein neuer Patient mit Blutkrebs diagnostiziert. Obwohl sich die Behandlungen in den letzten 50 Jahren verbessert haben und die Überlebensraten bei einigen Arten von Blutkrebs erheblich gestiegen sind, bleiben viele unheilbar. Eine dieser seltenen und aggressiven Arten von Blutkrebs entsteht, wenn Störungen, sogenannte „Mutationen“ in der DNA von Immunzellen auftreten. Normalerweise helfen Immunzellen dem Körper Infektionen und Krebs zu bekämpfen, tritt jedoch eine bestimmte Mutation auf, kann unkontrolliertes Wachstum die Folge sein. Dies führt oft zu einem sehr aggressiven und tödlichen Blutkrebs, der bis dato nicht gut untersucht ist. WissenschafterInnen haben nun neue Strategien entwickelt, um zu verstehen, wie eine einzelne Mutation die Verwandlung einer normalen Zelle zu einer Krebszelle auslösen kann. Diese Erkenntnisse dienen als Basis, um neue Medikamente für Krebspatienten zu entwickeln.

Ein Forscherteam der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der Harvard Universität und der Universität von Toronto, konnten nun wichtige neue Erkenntnisse über ein Schlüsselprotein gewinnen, das bei Patienten mit Blutkrebs mutiert ist. „Eine einzelne Mutation, die zur Änderung eines wichtigen Bausteins in einem Schlüsselprotein führt, kann es total verändern. Das Protein kann z.B. super aktiv werden und das ist gefährlich.“, sagt Heidi Neubauer von der Abteilung Funktionale Krebsgenomik an der Vetmeduni Vienna. „Dies führt zu erhöhtem Immunzell-Wachstum und die kranken Zellen befallen Organe und schädigen diese. Ohne jedoch die Struktur und Form von Schlüsselmolekülen visualisieren zu können, ist es für uns schwierig, neue Medikamente gegen diese Mutationen zu entwickeln.“

In einer neu veröffentlichten Studie im Fachjournal Nature Communications haben die Forscher mit einer dem medizinischen Röntgenverfahren ähnlichen Technik erstmals die 3D Strukturen von normalem und mutiertem STAT5B bis auf die atomare Ebene aufgedeckt. Experimente und Computersimulationen mit diesen Strukturen haben gezeigt, welche Veränderungen die Mutation im STAT5B-Protein bewirkt. Es erklärt dessen längere Aktivierung und man fand alternative Oberflächenstrukturen auf STAT5B. Dadurch veränderten sich die biophysikalischen Eigenschaften des Proteins drastisch. Basierend auf diesen Erkenntnissen, wurden neue Erklärungsansätze zur Entstehung von Krebs geschaffen. Die Forscher entwickelten zudem ein neues Mausmodell für Krebs, das durch die Mutante STAT5B gesteuert wird und die Untersuchung einer der aggressivsten Blutkrebsarten ermöglicht. Essenziell ist, dass diese strukturellen Informationen und Modelle nun dazu verwendet werden können, um neue Medikamente zu testen, die lediglich auf die krebserregende Form von STAT5B abzielen. Dadurch können Nebenwirkungen deutlich reduziert und die Wirksamkeit der Behandlung erhöht werden.

Weiters kamen die WissenschafterInnen zu dem Schluss, dass STAT5B auch bei vielen anderen Krebsarten eine wichtige Rolle spielt. Daher können diese neuen Entdeckungen von KrebsforscherInnen aufgegriffen werden, um Patienten mit Krebs zu therapieren.

Der Artikel „Structural and functional consequences of the STAT5BN642H driver mutation“ von Elvin D. de Araujo, Fettah Erdogan, Heidi A. Neubauer, Deniz Meneksedag-Erol, Pimyupa Manaswiyoungkul, Mohammad S. Eram, Hyuk-Soo Seo, Abdul K. Qadree, Johan Israelian, Anna Orlova, Tobias Suske, Ha T. T. Pham, Auke Boersma, Simone Tangermann, Lukas Kenner, Thomas Rülicke, Aiping Dong, Manimekalai Ravichandran, Peter J. Brown, Gerald F. Audette, Sarah Rauscher, Sirano Dhe-Paganon, Richard Moriggl und Patrick T. Gunning wurde in Nature Communications veröffentlicht.

Diese wissenschaftliche Arbeit wurde z.t. durch eine private Spende von Liechtenstein als auch durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF; SFB-F4707, SFB-F06105), sowie ein EU finanziertes ERA PerMed Netzwerk finanziert.