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„Was wir lehren, geht hinaus in die Praxis“ – Assistenzprofessorin Nora Biermann im Porträt
Nora Biermann, lizensierte Großtierchirurgin, arbeitet seit fünf Jahren an der Pferdeklinik. Nun wurde sie zur Assistenzprofessorin für Pferdechirurgie berufen. Neben dem Operations- und Lehrbetrieb forscht sie zu Infektionskontrolle und Übertragungswegen von multiresistenten Keimen und kümmert sich um lange und kurze Zähne.

Nora Biermann ist seit Juli 2024 Assistenzprofessorin für Pferdechirurgie an der Vetmeduni.
Das sprichwörtliche Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde fand Nora Biermann schon als Kind. Aufgewachsen in einem „Kaff“ in Nordrhein-Westfalen, lernte sie mit fünf Jahren reiten und half im Stall mit – so wie es in unzähligen Kinderbüchern gezeigt wird. Nach dem Abitur arbeitete sie in Irland ein Jahr als Bereiterin. Doch der Reitsport ist gefährlich und sie hatte wieder Glück, denn mehrere Male hätte sie sich beinahe das Genick gebrochen. 2006 übersiedelte sie nach Wien, um zunächst Pferdewissenschaften und bald auch Veterinärmedizin parallel zu studieren. 2012 schloss sie Veterinärmedizin ab und hatte bereits – zum Glück der Pferde – erste Erfahrungen in der Pferdechirurgie gesammelt, die ihr Interesse weckten. Die klinische Erfahrung vertiefte sie intensiv mit der anspruchsvollen Ausbildung zum Diplomate am American College of Veterinary Surgeons (ACVS).
Intensive Ausbildung auf einer abgelegenen Insel
Zunächst bewarb sie sich erfolgreich für ein einjähriges Internship am Atlantic Veterinary College. Auf Prince Edward Island, der kleinsten kanadischen Provinz, behandelte sie alle Arten von Großtieren. Aus dem einen Jahr wurden ungeplant sechs Jahre in Nordamerika, denn anschließend wurde ihr eine Residency-Stelle für Großtierchirurgie angeboten. Voraussetzung für die weiterführende Ausbildung war es, parallel ein wissenschaftliches postgraduales Studium zu absolvieren. Für den PhD in Health Management fokussierte sich die Chirurgin auf Risiken und Maßnahmen rund um die Vermeidung von krankenhausassoziierten Infektionen. 2018 erwarb sie ihre Lizenz, mit der sie überall in der englischsprachigen Welt als Veterinary Surgeon for Large Animals arbeiten darf. Doch es zog sie zurück nach Wien, wo der Titel des European College for Veterinary Surgeons (ECVS) hinzukam. Das ist wiederum ein Glück für die Pferdeklinik, weil sich Nora Biermann mit ihrer Expertise auch in der Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Hygienestandards engagiert. Mit Juli 2024 wurde sie nun zur Assistenzprofessorin für Pferdechirurgie berufen.
Unter dem Haarschopf die Zahnprobleme
In den vergangenen fünf Jahren hat sie sich weiter auf Zahnmedizin spezialisiert: bei Pferden, aber auch Lamas und Alpakas. Da fließt „viel klinisches Herzblut, denn die Zahnmedizin steckt hier noch in den Kinderschuhen“. Beide Gruppen weisen zahnmedizinische Besonderheiten auf. Pferde beginnen ihr Leben mit zehn Zentimeter langen Zähnen. Diese kauen sie bis ins hohe Alter immer weiter zu Stummeln ab. Das führt zu spezifischen und wiederkehrenden Problemen: Bei Pferden sind immer wieder Zahnspitzen abzuschleifen, damit sie sich nicht verletzen. Die Neuweltkamele haben so viele und ähnliche Zähne wie der Mensch, aber sehr spitz und zudem relativ viele Zahnprobleme, „die sie sehr geschickt verbergen. Für die Halter:innen ist nicht leicht zu bemerken, ob sie krank sind. Wenn etwas erkannt wird, ist es oft schon fast zu spät“.
Hygiene gesamthaft betrachten
Der sparsame Einsatz von Antibiotika, die Übertragungswege von multiresistenten Keimen (MRSA, ESBL), passende Infektionskontrolle und verbesserte Hygiene in der Pferdeklinik sind ihre Forschungsthemen. Viele angewandte Projekte betreut sie dabei im Rahmen von Diplomarbeiten. Und sie möchte die angehende Tierärzteschaft sensibilisieren: „Natürlich bedeutet die Reduktion von Antibiotika ein empfundenes Risiko. Das führt oft zum übermäßigen Einsatz. Mit entsprechender Hygiene lässt sich aber auch viel steuern.“ Ihre Argumentation kennt ein paar ansteckende Aspekte: „Viele multiresistente Keime unterscheiden nicht zwischen Spezies. Bei der Kontrolle der Übertragungswege geht es also nicht nur um die tierischen Patienten, sondern auch um die Veterinär:innen selbst und deren Haustiere.“
Als klinische Lehrende Studierende in höheren Semestern zu betreuen, findet sie motivierend: „Was wir lehren, geht unmittelbar mit hinaus in die Praxis.“ Klare und transparente Kommunikation ist überhaupt ein Talent von ihr, geschult über die Jahre an nordamerikanischer Freundlichkeit, deutscher Gründlichkeit und Wiener Verbindlichkeit.
Als Chirurgin arbeitet sie auf der Zahnstation und im regulären Operationsbetrieb – von der Gelenksspiegelung bis zur Kolik – samt Nacht- und Notdiensten. Und weil sie als
Großtier-Chirurgin „viel Zeit in sehr merkwürdigen Positionen verbringt – ideal für den Patienten, nicht aber die Operateurin“, ist Sport ihr Ausgleich. Zwei- bis dreimal die Woche spielt sie in gemischten Teams Fußball, unter anderem auch in der „Wilden Liga Wien“, und geht regelmäßig laufen.
Text: Astrid Kuffner
alle Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Der Beitrag ist in VETMED 01/2025 erschienen.