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Universität

Zwischen Stall und Petrischale

Karen Wagener ist auf einem Milchviehbetrieb groß geworden. Heute sucht sie als Forschende zwischen Klinik und Petrischale nach präventiven Ansätzen, um den Reproduktionstrakt von Kühen auch unter schwierigen Bedingungen wie Hitzestress gesund zu halten.

Forschung nah am Tier: Muhittin Tekin, Karen Wagener und Elisabeth Hausmann pendeln auf der VetFarm Kremesberg zwischen Labor, Stall und Weide. Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Karen Wagener, Assistenzprofessorin an der Klinischen Abteilung für Bestandsbetreuung bei Wiederkäuern, ist mit Kühen seit frühester Kindheit vertraut. Aufgewachsen ist sie auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Norddeutschland. Als Kind beim Melken und Ausmisten zu helfen, war nicht immer ein Spaß, eine akademische Laufbahn in ihrer Familie alles andere als selbstverständlich. Auch deshalb ist es ihr ein Anliegen, ihre Studierenden stets zu ermutigen: „Ich sage ihnen, dass sie an ihre Ziele glauben sollen, ihren Weg gehen trotz der Stolpersteine darauf.“ Die Herkunft erdet sie, auch wenn letztlich der Bruder den Hof übernahm und Karen Wagener, die immer mit Milchkühen arbeiten wollte, zum Studium der Veterinärmedizin nach Wien ging: „Die Kuh ist in meinen Augen ein Wunderwerk der Natur, weil sie als Wiederkäuer für uns Menschen nichtverdauliche Komponenten in wertvolle Nährstoffe, zum Beispiel Proteine, verwandelt."

Wissenschaftliche Neugier

Die Laufbahn hin zur Forschungsgruppe der Abteilung Bestandsbetreuung, die an der VetFarm Kremesberg angesiedelt ist, bezeichnet sie als „fragegeleitet“, schrittweise „vom Groben ins Feine“. Ab dem Diplom ergaben sich aus jedem Forschungsaufenthalt und Ausbildungsschritt neben den Antworten neue Fragen, die sie beantworten wollte. „Was fehlt mir dazu?“ führte sie als Leitgedanke nach dem Doktorat an der Funktionellen Mikrobiologie noch zu einem Masterstudiengang in Tissue Engineering and Regenerative Medicine an der FH Technikum Wien, um mehr molekularbiologische Methoden zu erlernen. Von dort ging es in eine tiefgreifende klinische Ausbildung in Reproduktionsmedizin, die sie mit dem Diplomate of the European College of Animal Reproduction (ECAR) abschloss. Karen Wagener sieht sich als Bindeglied zwischen Klinik und Grundlagenforschung, wobei das eine mit dem anderen wechselwirkt. Ihr Spezialgebiet ist der Reproduktionstrakt der Milchkuh, den sie zusammen mit Kooperationspartnern von der Gebärmutter, dem Eileiter bis hin zu den Eierstöcken ergründet.

Karen Wagener will die Synergien am Vetmeduni-Campus nutzen, sich mit Arbeitsgruppen vernetzen und sich so gegenseitig mit Ideen inspirieren. Sie erforscht vorwiegend das Immunsystem sowie die pathologische und physiologische bakterielle Besiedelung der Gebärmutter. Letztlich will sie herausfinden, wie ein unterstützendes Mikrobiom die Schleimhaut im Fortpflanzungsapparat schützen kann. Der Konnex zur Milchwirtschaft ist klar: ohne Reproduktion keine Laktation. Probleme bei der Fruchtbarkeit sind der Grund Nummer eins, warum eine Milchkuh aus den Beständen ausscheidet.

Prävention hat viele Pfeiler

Ihre Forschung nimmt ein komplexes Mosaik in den Fokus: die Milchkuh, ihren Reproduktionszyklus, klinische Symptome, die beteiligten Bakterien, das Immunsystem und die Umwelt des Tiers. „Angesichts des Klimawandels wird auch der Hitzestress im Stall zunehmen. Man weiß bereits, dass die Mikroben im Darm dadurch beeinflusst werden. Wir wollen das für den Reproduktionstrakt erforschen und gegebenenfalls Ansätze zur Prävention finden“, erklärt Wagener. „Der gesamte Reproduktionstrakt der Kuh, die Umwelteinflüsse und das Management müssen im Kontext betrachtet werden. In-vitro- und In-vivo-Forschung greifen ineinander, sodass wir bereits mehrere Einflussfaktoren auf die geminderte Fruchtbarkeit nachweisen konnten. Gleichzeitig sind viele Mosaiksteine noch unerforscht.“ 

Ihr Team macht auf der VetFarm und in kommerziellen Betrieben klinische Beobachtungen,versucht mikrobiologische Belege in der Petrischale zu finden und kehrt mit möglichen Erklärungen und Behandlungsansätzen aus dem Labor in den Stall zurück. Für erfolgreiche Prävention braucht es solides Monitoring, das mögliche Erkrankungen im Lauf des Laktationszyklus anhand des Verhaltens der Kühe, von Daten (zum Beispiel Klimadaten) und Milchinhaltsstoffen früh aufzeigt. „Die präventiven Konzepte der Abteilung Bestandsbetreuung ergänzen sich also idealerweise mit meiner Grundlagenforschung“, so Wagener. Sie hat bereits an der Vetsuisse in Zürich, der Swansea University in Großbritannien, in den Pampas von Argentinien und an der University of Florida geforscht. Aktuell radelt sie bei gutem Wetter durch die Weinberge zur Arbeit und sieht es als Privileg an, „direkt am Tier auszubilden und zu forschen“. Für sie ist es interessant, „das große Ganze zu sehen und im Detail daran zu arbeiten“.

Text: Astrid Kuffner

Der Beitrag erschien in VETMED 02/2023