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09.09.2022: Augen, Nase oder beides? Wie Vögel den Weg zurück zu einer Futterstelle finden, untersuchte ein Forschungsteam des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni in einer aktuellen Studie. Anhand von Kohlmeisen konnten die Forscher:innen nachweisen, dass der Geruchssinn ein wesentliches Instrument ist, um sich in vertrauter Umgebung zurecht zu finden. Die neuen Erkenntnisse unterstreichen, dass auch bei Vögeln der Geruchssinn wichtiger für die Orientierung ist als bisher angenommen.

Die Kohlmeise (Parus major) ist eine weit verbreitete Singvogelart, die im Winter ein gern gesehener Gast an den heimischen Futterstellen ist. Daher steht diese im Mittelpunkt einer soeben veröffentlichten Studie, in der ein Team aus Wissenschafter:innen prüfte, ob Kohlmeisen Gerüche aus der Umwelt nutzen, um an Futterstellen zurückzufinden. Um dieser Frage nachzugehen, wurden einige Vögel gefangen. Bei der Hälfte der Tiere wurde der Geruchssinn kurzfristig mittels Zinksulfat gedämpft. Danach ließen die Forscher:innen einen Teil der Vögel in unmittelbarer Nähe – einen anderer Teil der Tiere in einer Distanz von 1.5 km wieder aus.

Kohlmeisen mit Geruchssinn kommen rascher heim

Sowohl die Kohlmeisen mit reduziertem Geruchssinn, als auch solche mit normalem Geruchssinn fanden zu den Futterstellen zurück. „Dieses Ergebnis hat uns zunächst nicht überrascht, da wir die Tiere bewusst innerhalb ihrer vertrauten Umgebung wieder ausgelassen haben,“ erklärt Studien-Erstautorin Katharina Mahr vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni. „Interessant ist allerdings, dass Vögel mit vermindertem Geruchssinn deutlich mehr Zeit benötigten, um zurückzukehren. Dieser Effekt kommt besonders zur Geltung, als die Vögel in größerer Entfernung ausgesetzt wurden. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Gerüche in einer vertrauten Umgebung trotz visueller Anhaltspunkte als wichtige Informationsquelle zur Orientierung dienen“.  

Gute Nasen machen Nahrungssuche effizienter

Bestimmte Gerüche in der vertrauten Umgebung könnten laut den Forscher:innen als zuverlässige Informationsquelle dienen, um sich zu orientieren. „Ursprünglich wurden ähnliche Ergebnisse bereits bei Zugvögeln erlangt. Aber insbesondere für Arten wie Kohlmeisen, die im Winter oft in den Brutgebieten bleiben, könnte die Orientierung und Navigation mittels Geruchs helfen, die Nahrungssuche in Zeiten mit wenig Futterangebot, also beispielsweise im Winter, zu optimieren“, so Studien-Letztautor Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni. Laut Hoi unterstreichen die Ergebnisse der Studie nachdrücklich, dass der Geruchssinn für die Orientierung von Vogelarten von größerer Bedeutung sein könnte, als bisher angenommen und zum Verständnis der funktionellen Zusammenhänge des Geruchs im Leben von Vögeln beiträgt.

Die Chemie der Luft

In der Luft befindliche chemische Stoffe sind für viele Lebewesen sensorische Hinweise und ihre Verwendung bei der Navigation könnte einer der wichtigsten evolutionären Mechanismen sein, die die Entwicklung des Geruchssinns bei Tieren erklären. Ob Vögel die in der Luft enthaltenen chemischen Verbindungen zur Orientierung nützen, bleibt trotz solider Beweise für die Bedeutung des Geruchssinns im Vogelleben – etwa bei Nahrungssuche oder Paarung – umstritten. Gerade Singvögel sind trotz ihrer bemerkenswerten Orientierungsfähigkeit bislang wenig erforscht.

 

Der Artikel „Songbirds use scent cues to relocate to feeding sites after displacement: An experiment in great tits (Parus major)“ von Katharina Mahr, Linda Nowack, Felix Knauer und Herbert Hoi wurde in „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel