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06.07.2022: Die traditionelle Medizin in Südostasien und China setzt stark auf tierische Inhaltsstoffe. Sie verwendet zum Beispiel die Galle des asiatischen Bären (Ursus thibetanus). Dazu wird den in Gefangenschaft gehaltenen Tieren bis zu mehrmals wöchentlich Gallensaft abgezapft – eine Vorgangsweise, die häufig zu einer Gallenblasenentzündung führt. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni und in Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein „Vier Pfoten“ untersuchte, wie sich diese Entzündung der Gallenblase bestmöglich diagnostizieren und therapieren lässt.

In Südostasien und China werden mehr als 17.000 asiatische Bären unter sehr schlechten Bedingungen wegen ihrer Galle gezüchtet, um die Nachfrage nach Produkten der traditionellen Medizin zu befriedigen. Jahre der unsterilen Entnahme von Gallenflüssigkeit verursachen neben großem Tierleid auch häufig eine chronische Gallenblasenentzündung. Bislang ist sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin der diagnostische Wert der makroskopischen Gallenuntersuchung – also der Diagnose mit dem bloßen Auge – zur Beurteilung einer Gallenblasenerkrankung unklar.

Ziel der Studie war es deshalb, die Rolle der Farbe, Viskosität und Trübung der Gallenblase zu identifizieren und sie mit etablierten Markern für eine Entzündung der Gallenblase zu vergleichen. Darüber hinaus erhob die Forschungsarbeit, wie lange bei Bären aus Gallenfarmen mit chronischer bakterieller Cholezystitis die orale Antibiotikabehandlung dauern sollte, um effektiv zu sein.

Umfassende Untersuchung der Gallenproben

Die Wissenschafter:innen untersuchten neununddreißig erwachsene, ehemals für die Nutzung ihrer Gallenflüssigkeit gehaltenen Asiatische Schwarzbären unter Narkose und führten für die weitere Abklärung eine perkutane, ultraschallgestützte Gallenblasenpunktion durch. Dabei handelt es sich um den diagnostischen „Goldstandard“ einer Gallenblasenentzündung, der mit sehr geringen Komplikationsraten verbunden ist. Insgesamt wurden 59 Gallenproben entnommen, wobei 20 Tiere zweimal beprobt wurden, um den Therapieerfolg zu evaluieren. Alle Gallenproben wurden makroskopisch und mikroskopisch untersucht, gefolgt von der Analyse auf Bakterienkulturen und antimikrobielle Empfindlichkeit.

Antibiotika-Therapie über 30 Tage heilt erkrankte Bären

„Bei den meisten Bären wiesen Proben mit mikroskopischen Nachweis bakterieller Infektionen keine Entzündungszellen auf und korrelierten nicht immer mit positiven Bakterienkulturen. Die am häufigsten isolierten Bakterien waren Enterokokken, Streptokokken und Escherichia coli. Basierend auf unseren Erkenntnissen beträgt die optimale Dauer der Antibiotikabehandlung bei chronischer bakterieller Entzündung der Gallenblase 30 Tage“, so Studien-Erstautorin Szilvia K. Kalogeropoulu vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Erstmals Daten zum Wert der makroskopischen Gallenuntersuchung

Eine weitere wichtige Erkenntnis betrifft laut Studien-Letztautorin Johanna Painer-Gigler vom FIWI an der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Diagnose einer Cholezystitis bei Bären aus Gallenfarmen: „Die organoleptischen Eigenschaften der Galle sind im Gegensatz zur Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) und der Wanddicke der Gallenblase zuverlässige Marker für eine chronische Entzündung der Gallenblase, wobei Farbe und Trübung eine Cholestase (Gallenstauung; Anm.) anzeigen.“ Die aktuelle Studie unterstreicht die wichtige Bedeutung der Gallenblasenpunktion für die Diagnose und erfolgreiche Therapie von Gallenblasenerkrankungen und liefert erste Ergebnisse zum möglichen diagnostischen Wert einer makroskopischen Gallenuntersuchung.
 

Der Artikel „Chronic cholecystitis: Diagnostic and therapeutic insights from formerly bilefarmed Asiatic black bears (Ursus thibetanus)“ von Szilvia K. Kalogeropoulu, Emily J. Lloyd, Hanna Rauch, Irene Redtenbacher, Michael Häfner, Iwan A. Burgener, Johanna Painer-Gigler wurde in „PLOS ONE“ veröffentlicht.

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