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Forschung
„Tiere können nicht sagen, wo es weh tut“ – Assistenzprofessorin Ivana Calice im Porträt
Nicht nur wir Menschen, auch Haustiere werden heute immer älter und leiden an degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats. Damit nimmt die Bedeutung der interventionellen Schmerztherapie zu. Die neue Assistenzprofessorin für Anästhesie, Analgesie und perioperative Intensivmedizin Ivana Calice trägt dazu bei, die Forschungslücken auf diesem Gebiet zu schließen.

„Anästhesist:innen sind stille Unterstützer:innen“, sagt Ivana Calice. „In der Gesellschaft nimmt man sie viel weniger wahr als Chirurg:innen, dennoch ist ihre Arbeit eminent wichtig für den Erfolg von Eingriffen.“ Sie selbst ist europäische Fachtierärztin für Veterinäranästhesie mit Leib und Seele. „Durch ein Praktikum hat mich die Materie schon im Studium gepackt, obwohl ich dann über ein immunologischonkologisches Thema dissertiert habe.“ Nach der Promotion folgte sie – abgesehen von einem kurzen Ausflug in die präklinische Forschung – ihrer ursprünglichen Faszination: Sie war Anästhesistin an der Tierklinik Hollabrunn, machte eine Resident-Ausbildung in Anästhesiologie an der Vetmeduni, war dort Postdoc und leitete später die Anästhesie in einer Wiener Tierarztpraxis. Im Oktober des Vorjahres kehrte sie an ihre Alma Mater zurück, wo sie nun Assistenzprofessorin an der Klinischen Abteilung für Anästhesiologie und perioperative Intensivmedizin ist.
„Als Anästhesist:in hat man den ganzen Organismus im Blick“, schildert Calice, was sie an ihrem Beruf am meisten fesselt. „Blitzschnell auf alle physiologischen Vorgänge reagieren zu müssen ist eine große Herausforderung. Gerade das gefällt mir.“ Ebenso wie der Gedanke, Tieren in einer sehr sensiblen Situation zu helfen. Die gebürtige Belgraderin ist in einem tierliebenden Umfeld samt vierbeinigen Hausgenoss:innen aufgewachsen. „Mein Vater, ein studierter Tierarzt, hat zwar in einer anderen Branche gearbeitet, war aber immer zur Stelle, wenn einem Tier in der Nachbarschaft etwas fehlte. Natürlich mit mir im Schlepptau.“ An der Studienwahl bestand somit kein Zweifel, sie inskribierte sich in Tiermedizin in Belgrad und später in Wien, wo ihr Onkel wohnte. „Eigentlich wollte ich nur vorübergehend ins Ausland, um meinen Horizont zu erweitern. Hängen geblieben bin ich, weil ich hier meinen Mann kennengelernt und eine Familie gegründet habe“, schmunzelt die zweifache Mutter.
Welche Methode lindert welchen Schmerz am besten?
Mit ihrem Forschungsfokus, der interventionellen Schmerztherapie, schlägt Calice ein neues Kapitel an der Vetmeduni auf. Zwar ist diese in der Humanmedizin ein altbekanntes Thema – schließlich häufen sich mit der immer älter werdenden Bevölkerung auch die Probleme mit dem Bewegungsapparat –, doch in Bezug auf Tiere gibt es hier noch viele Forschungslücken. „Man verwendet in der Veterinärmedizin ähnliche Methoden wie zum Beispiel die epidurale Steroidinjektion, weiß aber noch wenig darüber, wie effektiv diese bei den vierbeinigen Patient:innen tatsächlich sind“, erklärt Calice. „Wir werden daher sowohl die Techniken als auch die Medikamente systematisch beschreiben und vergleichen. Um herauszufinden, was in welchen Fällen das beste Verfahren ist und warum, braucht es valide Grundlagen.“ Auch komparative Anatomiestudien und die Testung innovativer molekularer Wirkstoffe sind angedacht.
Zurzeit konzentriert sich Calice dabei vor allem auf den Hund, da die Prävalenz lumbosakraler und degenerativer Erkrankungen hier hoch ist. „Entweder altersbedingt oder auch durch besondere Beanspruchung, wie sie etwa bei Arbeitshunden der Fall ist. Polizei-, Therapie- oder Suchhunde haben oft schon in jüngeren Jahren damit zu tun.“ Erschwert werde das Ganze, weil diese ja nicht sagen könnten, wo es weh tue. Zudem müssten die Therapieblöcke unter Sedierung oder Vollnarkose verabreicht werden. „Präzisionsmedizin nahe dem Rückenmark ist Millimeterarbeit.“ Und wohlgemerkt gehe es dabei nicht um Heilung, sondern um Linderung. „Dadurch steigt neben der Lebensqualität allerdings auch wieder der Bewegungsradius, was wiederum die Muskeln stärkt und degenerative Prozesse verlangsamen kann.“
Junges Forschungsgebiet national und international in Schwung bringen
Spannend sind auch die mit der Professur einhergehenden Bemühungen, die Forschung auf diesem Gebiet durch interdisziplinäre Netzwerkbildung voranzutreiben. „Mit Kolleg:innen aus der Pharmakologie, Bildgebenden Diagnostik, Chirurgie, Physiotherapie und Anatomie plane ich hier an der Vetmeduni eine enge Zusammenarbeit. Darüber hinaus wollen wir internationale Kontakte forcieren.“ Als Lehrende freut sich Calice über das neue Curriculum. „Die Betonung praxisbezogener Skills und Nutzung neuer Medien finde ich großartig.“ Doch nicht nur darum schenkt sie der Lehre besonderes Augenmerk. „Als gerade zugezogene junge Studentin Anfang der 2000er-Jahre habe ich mich zuerst recht verloren gefühlt“, erinnert sie sich. „Dass die Professorinnen Simone Müller, Miriam Kleiter und Martina Mosing damals mein Potenzial erkannt und gefördert haben, hat mir enorm geholfen, in Wien und im Berufsfeld Fuß zu fassen. Dafür bin ich bis heute dankbar.“
Text: Uschi Sorz
alle Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Der Beitrag ist in VETMED 01/2025 erschienen.