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Forschung
Aufbaustimmung auf bewährter Basis: Jule Michler im Porträt
Jule Michler, aufgewachsen in Hamburg, Fachtierärztin für Anatomie mit Zusatz in regenerativer Medizin, wechselte Ende 2024 als Assistenzprofessorin vom Veterinär-Anatomischen Institut in Leipzig nach Wien. Sie erzählt, welche frische Brise sie mitbringt und was sie an der neuen Unit für Physiologie und Pathophysiologie schätzt und vorhat.
An der Vetmeduni schließen sich für Jule Michler, seit November 2024 Assistenzprofessorin für regenerative Veterinärmedizin und Physiologie, einige Kreise. Der Wechsel von Leipzig nach Wien fiel ihr relativ leicht. Der Weg war folgerichtig, sämtliche Richtungspfeile zeigten hierher. Manche davon schon früh im Leben. Als junges Mädchen hatte sie ein eigenes Pferd, das leider sehr krank war. Entsprechend oft kam die Haustierärztin vorbei und mit 16 Jahren fragte sie erstmals, ob sie „mal mitfahren“ dürfe: „Schon bald habe ich alle Ferien auf diesem Beifahrersitz verbracht und wollte praktizierende Tierärztin werden – eine Unikarriere stand nicht am Plan.“
Entschlossen durch geöffnete Türen
Für das erste Semester schrieb sie sich an der Szent István Universität in Budapest ein, ab dem zweiten hatte sie einen Studienplatz an der FU Berlin, wo sie als studentische Hilfskraft lange an der Klein- und Heimtierklinik arbeitete. Weil sie immer wieder entschlossen durch geöffnete Türen schritt, wurde sie letztlich Forscherin und Lehrende. Ihr erstes Pferd starb an einem Krankheitsbild, das diese Tierart besonders betrifft: einer Wundheilungsstörung an der distalen Gliedmaße. Diese genauer zu untersuchen, ist hier eines ihrer Forschungsgebiete an der neuen Unit für Physiologie und Pathophysiologie.
Stammzellforschung und regenerative Medizin
Der Einstieg in die Forschung erfolgte 2010 mit der Gelegenheit, die Doktorarbeit über Haarfollikel-Stammzellen des Pferds am Veterinär-Anatomischen Institut der Universität Leipzig zu schreiben. Sie baute dort ein Zellkulturlabor auf und war unversehens gekoppelt an Stammzellforschung und regenerative Medizin. Beides Gebiete, die rasch an Fahrt aufgenommen haben. Nach dem Fachtierarzt für Anatomie absolvierte die Norddeutsche 2023 die Ausbildung zur Zusatzbezeichnung Regenerative Veterinärmedizin in Zusammenarbeit mit der Klinik für Pferde in Leipzig. Nach einigen Projekten in Infektionsbiologie schmiedete sie gerade Pläne, sich wieder mehr mit Hautzellen zu beschäftigen, als sie die Stellenausschreibung der Vetmeduni erreichte. Sie sah die Möglichkeit, Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen und bewarb sich. Über Hautzellen kann sie – nordisch zurückhaltend, aber doch – ins Schwärmen geraten: „Die Haut ist so ein tolles und vielseitiges Organ und eine Grenzfläche, die unser Leben als Warmblüter erst möglich macht.“
Lehre als Leidenschaft
Aus Leipzig brachte sie reichlich Lehrerfahrung mit und auch hier ist Praxisrelevanz ihr Rezept. Anatomie und Physiologie können nicht ohneeinander. Die Theorie ist zweifelsohne viel und „dröge“ (trocken). Jule Michler setzt hier auf die Vernetzung mit der Klinik und betont gerne und oft das „Wozu?“ – denn komplexe Krankheitsbilder lassen sich nur aus gut verankerten Grundlagen verstehen. In Vorlesungen möchte sie diesen Spirit bis in die letzte Reihe großer Säle bringen und unterstützt ihn mit Praxisbeispielen, wo es geht. Die Betreuung von Doktorand:innen macht ihr besondere Freude, weil mehr Zeit ist und sie eine fachliche Entwicklung konkret unterstützen kann. 2012 war sie bereits für einen wissenschaftlichen Gastaufenthalt an der Histologie, 2016 mit ERASMUS Teaching Mobility noch einmal an der Vetmeduni. Es gibt aber auch eine familiäre Achse. Sie selbst ist Hanseatin, aber die Mutter eine Wienerin. Als Kind hat sie immer wieder Urlaub hier verbracht. Am neuen Wohnort schätzt sie die Lebensqualität.
"Die Haut ist so ein tolles und vielseitiges Organ und eine Grenzfläche, die unser Leben als Warmblüter erst möglich macht. "
Unit im Aufbau
Die neue Assistenzprofessorin mag Aufbaustimmung generell, an der Forschung speziell,dass „Kooperation, der Blick aus verschiedenen Fachrichtungen und die Diskussion darüber unser Alltag ist“. Die Unit für Physiologie und Pathophysiologie setzt auf einen fächerübergreifenden Ausbau in regenerativer Medizin und Zellkulturforschung und bietet räumliche Nähe zu anderen Fachexpert:innen. Hier widmet sich Michlers Doktorandin equinen Fibroblasten in 3D-Kultur und dem fatalen Zusammenspiel mit dem Immunsystem bei Wundheilungsstörungen. Ein weiteres Thema auf der Forschungsagenda sind Hautäquivalente des Rinds – für verbesserte In-vitro-Modelle, von denen es für Nutztiere ohnehin nicht viele gibt. Universitätskarrieren werden zumeist an wechselnden Orten entwickelt und Wien ist jedenfalls für die nächsten vier Jahre mit Zielvereinbarung ihr Platz. Das allernächste Ziel ist, dass auch ihr Partner, ein Musiker, und ihr Pferd in die Donaumetropole übersiedeln. Denn einen guten Ausgleich zur Wissenschaft findet sie immer noch auf ihrem Pferd und beim gemeinsamen Klarinettenspiel mit ihrem Partner.
Text: Astrid Kuffner
alle Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Der Beitrag ist in VETMED 02/2025 erschienen.