Springe zum Hauptinhalt
  • Startseite
  • /
  • Forschung
  • /
  • Aktuelles aus der Forschung
  • Ethische Werkzeuge für die Tiermedizin – Svenja Springer im Porträt

Forschung

Ethische Werkzeuge für die Tiermedizin – Svenja Springer im Porträt

Der Umgang mit Tieren berührt nicht nur praktische, sondern auch moralische Fragen. Svenja Springer, neue Assistenzprofessorin für tiermedizinische Ethik am Messerli Forschungsinstitut für Mensch-Tier-Beziehung, untersucht Entscheidungsprozesse rund um die Palliativ- und Sterbebegleitung von Vierbeinern und die Erwartungshaltungen von Hunde- und Katzenhalter:innen gegenüber der modernen Kleintiermedizin.

Svenja Springer im Hörsaal
Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Svenja Springers Forschungsfokus sind die empirische Analyse von Mensch-Tier-Beziehungen und die moralischen Herausforderungen, mit denen Tierärzt:innen konfrontiert sind.

Leicht ist es nicht für Tierärzt:innen, die Interessen von Tieren und ihren Halter:innen unter einen Hut zu bringen. Speziell, wenn die Vierbeiner schwer, womöglich unheilbar erkrankt sind. Ab wann kollidieren die verfügbaren Mittel mit der Lebensqualität? Was rät man, wenn die Hoffnungen und Wünsche verzweifelter Besitzer:innen unvereinbar mit deren finanziellen Möglichkeiten sind? „Das sind Herausforderungen, die über das Medizinische hinausgehen“, sagt Svenja Springer. „Durch die Berufspraxis haben Behandelnde zwar meist eine gute Intuition, das reicht aber in komplexen Fällen nicht immer aus. Denn sie bewegen sich hier in einem Graubereich.“

Die 38-Jährige ist seit März Assistenzprofessorin für tiermedizinische Ethik am Messerli Forschungsinstitut für Mensch-Tier-Beziehung. „Mir ist es wichtig, dass meine Studierenden ein entsprechendes Rüstzeug mitbekommen“, unterstreicht sie. „Tierärzt:innen dürfen keine Misanthrop:innen sein. Um Tiere samt ihren Menschen auch in schwierigen Situationen gut zu betreuen, brauchen sie Empathie, Kompromissbereitschaft und Argumentationsgrundlagen.“ Darum werde in ihren Lehrveranstaltungen viel debattiert.

In der Forschung verfolgt sie einen empirischen Ansatz. „Mir geht es nicht um Normen oder Leitlinien, sondern ich möchte Problemlagen erfassen.“ Dazu gehört unter anderem das Wissen, wie es den Tierärzt:innen beim Geben von Behandlungsempfehlungen geht. Womit kommen sie gut zurecht? Was finden sie heikel? Die Datengrundlage, die Springer durch qualitative und quantitative Umfragestudien schafft, gibt Hinweise auf mögliche Strategien und Lösungsansätze.

Prägende Erfahrungen

Oft hängt das Interesse an Ethikthemen mit persönlichen Erfahrungen zusammen. Das hat nicht nur eine Studie Springers gezeigt, auch bei ihr selbst war es so. Als junge Veterinärmedizinstudentin an der Vetmeduni verbrachte sie gerade die Sommerferien bei ihren Eltern in Deutschland, als die Familienhunde kurz hintereinander starben. Zuerst die krebskranke Retrieverhündin Lotta durch Euthanasie, dann der hochbetagte Dackel Paulchen, weil er rapide abbaute. „Das war ein Schlüsselmoment“, erinnert sie sich. „Es hat in mir so viele Fragen aufgeworfen, auf die ich in den klassischen Lehrbüchern keine Antwort fand.“

Der Zufall wollte es, dass Herwig Grimm damals seinen Lehrstuhl für Ethik der Mensch-Tier-Beziehung am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni aufbaute. Nach dem Erlebnis mit Lotta und Paulchen wünschte sich Springer, ihre Diplomarbeit dem Thema Euthanasie zu widmen, hatte aber zunächst Mühe, eine Betreuung dafür zu finden. Sie stieß auf den Anästhesieprofessor Yves Moens, der sie zusätzlich an Grimm verwies. In der Folge diplomierte sie bei den beiden und sie wurden zu ihren wissenschaftlichen Weggefährten. „Sie haben mich quasi in die Ethik hineinsozialisiert.“ Die Faszination für ihr Fach merkt man ihr an. „Tiermedizinische Ethik ist ungeheuer facettenreich, spannend und interdisziplinär.“ Der Austausch zwischen Kliniker:innen, Philosoph:innen, Soziolog:innen und anderen Disziplinen ist ein Charakteristikum des Messerli Forschungsinstituts. Hier hat Springer auch – ebenfalls zur Tiereuthanasie – dissertiert und ihre Postdoc-Zeit zugebracht. Ihren PhD zu den Chancen und Herausforderungen der High-Tech-Veterinärmedizin machte sie dann in Dänemark im Zuge einer Kooperation zwischen der Vetmeduni und der Uni Kopenhagen. Aktuell forscht sie zur Palliativmedizin und Sterbebegleitung von Tieren sowie zu Erwartungen von Hunde- und Katzenhalter:innen an die Kleintierpraxis. Ein vierjähriges FWF-Projekt ist in den Startlöchern. „Es dreht sich um das beste Interesse des Patiententiers. Dies ist zwar ein gängiger Begriff, aber bis dato noch ziemlich vage.“
 

Zwischen Musik und Medizin

Ursprünglich wollte die im norddeutschen Schwerin aufgewachsene, von klein auf musikalisch ausgebildete Münchnerin ja Opernsängerin werden. „Dass ich schon mit sechs
auf der Bühne sang, kommt mir jetzt zugute, etwa beim Referieren“, erzählt sie mit einem Lächeln. „Irgendwann wurde mir aber klar, dass das doch nicht mein Weg ist.“ Aus einem medizinischen Haushalt kommend, war ihr die Naturwissenschaft zudem nicht fremd. Initialzündung zum Veterinärmedizinstudium war schließlich ein Praktikum an einer Tierklinik in Ghana.

Seit 2008 ist die Forscherin begeisterte Wahlwienerin, inzwischen sogar mit österreichischem Pass. „Ich liebe das Land, die Leute und das Leben hier“, strahlt sie. „Das reiche Musikangebot ist ein Eldorado für mich, ich bin so oft wie möglich im Konzerthaus.“ Zum Auftanken ist sie außerdem gern auf den Wiener Stadtwanderwegen unterwegs.
 

Text: Uschi Sorz

alle Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni


Der Beitrag ist in VETMED 02/2025 erschienen.